Ein Ami in Tirol
schaut nicht gerade wie der Teufel aus. Und er bringt auch ein paar Groschen mit, die ihm der Florian auszahlen muss. Aber das Geld wäre mir gar nicht so wichtig.«
»Schön, dass du so denkst, Vater«, sagte Eva und gab ihm einen Wangenkuss. »Aber momentan sind das noch Träume. Und vielleicht werden sie es immer bleiben.«
»Da bin ich mir nicht sicher«, meinte der Altbauer und kicherte schmunzelnd vor sich hin.
Mr. Brown erschien später in einem schneeweißen Anzug. Er trug einen schwarzen Hut und sah, so fand Linda, umwerfend gut aus.
»Werde ich so nett genug aussehen für die dicke Lady?«, erkundigte er sich skeptisch bei Eva.
»Oh, der Barbara ist alles recht. Ich denke, Sie werden einen großartigen Eindruck machen, Mister - äh, ich meine James!«
»Du redest ihn ja schon mit dem Vornamen an«, zischelte Linda. »Das ist aber schnell gegangen.«
Eva überging den Einwand ihrer jüngeren Schwester.
»Natürlich wäre ich viel lieber mit Ihnen zusammen gewesen«, ließ Brown nun verlauten und verzog etwas enttäuscht das Gesicht. »Doch nachdem sich die dicke Lady mir gegenüber so hilfsbereit gezeigt hat, darf ich ihr - wie sagt man - keinen Korb geben.«
»Das dürfen Sie freilich nicht«, bekräftigte Eva, während Linda mit verstimmter Miene am Tisch saß und kein Wort mehr sagte.
»Fehlt bloß noch, dass du ihn duzt«, meckerte sie, nachdem der Gast das Haus verlassen hatte.
»Also, hör mal!«
»Glaubst du vielleicht, ich seh nicht, wie du ihn anhimmelst?« fragte Linda. »Aber ich seh ja auch, wie er dich anschaut. Mich beachtet er doch gar nicht.«
»Also, Linda, du bildest dir nur etwas ein«, widersprach Eva. »Und jetzt Schluss damit. Ich hab' wirklich keine Lust, mit dir darüber zu streiten. Ich will schließlich den Festzug nicht versäumen und muss mich noch fertigmachen.«
Damit verließ sie die Stube und ließ Linda allein zurück. Alois hatte sich in seine Kammer zurückgezogen, um sich dort in seinen guten Anzug zu zwängen.
Trotzig blieb Linda zurück und starrte zum Fenster hinaus. Dann knarrte hinter ihr die Tür, und sie wandte den Kopf.
»Ach, du bist es, Christian«, sagte sie zum Nachbarsohn, der die Stube betreten hatte.
»Der Gockelhahn ist also fort«, stellte der junge Mann befriedigt fest.
»Red nicht so von ihm«, sagte Linda streng. »Er ist ein sehr fescher Mann. Wenn er nur nicht ...«
Sie hatte sich unterbrochen und zog wieder einen Schmollmund. Christian trat zu ihr, nahm sich einen Stuhl und setzte sich.
»Was hast du denn für einen Kummer, Linda?« erkundigte er sich beinahe väterlich.
»Ach, wie soll ich es dir nur erklären?«, klagte Linda. »Red halt frei heraus!« »Stell dir vor, die Eva redet den Mr. Brown mit seinem Vornamen an!« platzte sie dann heraus. »So vertraut ist sie schon mit ihm. Das ist doch eine Frechheit.«
»Aha!«
»Oder ist es etwa keine?«, empörte sich Linda.
»Vertraut ist sie also mit ihm?«, fragte Christian, so als könnte er das eben Gehörte nicht glauben. »Und das nach gerade zwei Tagen! Die Eva ist doch gewöhnlich, was die Männerleut angeht, keine von der schnellen Truppe!«
»Eben darum«, orakelte Linda. »Du wirst schon sehen, was da noch draus wird. Verliebt ist sie in den James, das weiß ich jetzt.«
Es entging ihr, dass Christian seine Farbe wechselte. Sie sah auch nicht, wie er seine Hände ballte. Sie war viel zu sehr mit sich und ihrem eigenen Kummer beschäftigt, denn wie sehr hätte sie es sich gewünscht, dass sich dieser Amerikaner mehr mit ihr abgegeben hätte.
»Ach, Christian, was soll ich denn bloß machen?«, fragte sie traurig und kleinlaut.
»Du magst ihn wohl sehr, diesen amerikanischen Go..., ich meine, diesen Mister?«, erkundigte er sich behutsam.
»Na ja«, meinte Linda und ließ damit Zweifel offen.
»Jetzt lass den Kopf nicht hängen, Linda. Ich lad dich für heut ein. Mach kein solches Gesicht und sei ein bissel fröhlich. Du bist doch gewöhnlich kein Kind von Traurigkeit.«
»Vielleicht hast du ja recht, Christian«, gab sie endlich seufzend zu. »Eigentlich hab' ich heut gar nicht hingehen wollen. Aber warum soll ich mich ins Eck hocken und den anderen das Vergnügen lassen? Das mag ich gar nicht einsehen.«
»So ist es recht, Linda«, lobte Christian Brüggler. »Mach dich recht hübsch. Ich wart derweil hier auf dich.«
»Magst du derweil ein Bier?
» Dort drüben steht noch eine Flasche. Ich hab' sie vorhin für den Vater aus dem Keller geholt, und sie ist
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