Ein Ami in Tirol
noch schön kühl.«
»Ich sag nicht Nein«, erklärte Christian. Linda eilte, ihm ein Krügerl und die Bierflasche zu bringen.
»Da ist der Öffner«, sagte sie. »Ich bin schnell fertig.« Damit huschte sie zur Tür hinaus.
Nicht lange darauf trat Eva ein. Sie trug ein hübsches Festtagsdirndl mit wertvoller Spitzenbluse und einer schimmernden Seidenschürze. Die gehäkelten Strümpfe umschmiegten ihre schlanken Beine, die in den Schnallenschuhen sehr reizvoll wirkten.
»Oh, der Herr Nachbar!«, rief sie. »Der dritte Besuch an ein und demselben Tag: Das ist ja noch nie vorgekommen. Hast auf mich gewartet, oder?«
»Auf dich?«, fragte er gedehnt. »Auf die Linda hab' ich gewartet.«
»Ach?«, fragte Eva überrascht. »Du hast dich doch nie für sie interessiert?«
»Manchmal entdeckt man eine weibliche Schönheit eben erst auf den zweiten Blick«, warf er ihr etwas bissig hin. »Ich hab' die Linda eingeladen. Sie zieht sich gerade um.«
»So ist das also«, stellte Eva beklommen fest. Sie war verwirrt und durcheinander, denn das verstand sie nicht. »Übrigens ist meine Schwester in den Mr. Brown vernarrt«, wagte sie schließlich vorsichtig einzuwenden.
»Nur sie? Du etwa nicht? Sonst würdest du ihn bestimmt nicht gerade mal nach zwei Tagen schon mit dem Vornamen anreden, oder?«
»Lieber Himmel, da ist doch nichts dabei!«, rief Eva. »Immerhin lebt man auf ziemlich engem Raum zusammen und da ...«
»Er ist ein Fremder«, unterbrach Christian. »Aber der Linda werd ich es schon ausdeutschen, dass es keinen Wert hat, sich in so einen Lackaffen zu verschauen.«
»So, ausdeutschen willst du ihr das?«, fragte Eva. Nun war sie ein wenig wütend. Weniger auf ihn und Linda als auf sich selber. Hätte sie vielleicht ein Wort mehr sagen sollen, ihm entgegenkommen sollen? Aber was hatte das nun noch für einen Zweck, wenn er sich plötzlich für die jüngere Schwester interessierte?
»Freilich«, bekräftigte er. »Ich werd sie schon zur Besinnung bringen. Aber das interessiert dich ja wohl nicht?«
»Kaum«, meinte sie schnippisch und klopfte in den Busch. »Vielleicht mache ich nächste Woche mit dem James eine Wandertour auf die Reischenspitz?«
»Viel Vergnügen!«, stieß er beherrscht hervor, stand auf, bohrte seine Hände in die Hosentaschen und trat vor das Fenster. Eva den Rücken zugewandt, wippte er mit den Schuhspitzen und pfiff dabei einen Landler, so als langweilte ihn die ganze Unterhaltung mit Eva.
»Ich bin fertig!« Frisch wie der Sommerwind kam Linda hereingewirbelt.
»Dann können wir ja gehen«, stellte Christian fest, bot Linda den Arm und stolzierte mit ihr zur Tür hinaus. Eva blieb zurück. Sie fühlte Tränen hochsteigen. Aber die kämpfte sie tapfer nieder, wartete, bis der Vater fertig war und verließ dann zusammen mit ihm das Haus. Die Dorfstraße war von Menschen gesäumt, die auch aus den Nachbardörfern und den umliegenden Weilern gekommen waren, um den prächtigen bunten Umzug nicht zu versäumen.
Eva sah Mr. Brown an der Seite der dicken Barbara. Sie himmelte ihn an wie einen Gott. Christian und Linda standen eng zusammen auf der anderen Straßenseite. Eva fühlte Eifersucht und schalt sich deretwegen töricht. Immerhin war sie kein Schulmädchen mehr, sondern eine erwachsene Frau. Deshalb beschloss sie, dem allem keine Beachtung mehr zu schenken und sich keinesfalls darüber zu ärgern, wenngleich sie jetzt schon wusste, dass ihr das nicht vollständig gelingen konnte. Barbara hatte für sich und den
Angebeteten im Festzelt einen schönen Platz ergattert. Sie genoss die neidischen Blicke, die ihr zugeworfen wurden, als sie Arm in Arm mit dem schönen, eleganten Amerikaner herumstockste. Barbara Mutzenberger musste dieses Ereignis als einen Höhepunkt ihres Leben betrachtet haben. Und als ihr James dann klammheimlich und plötzlich ins Ohr flüsterte, sie zu duzen, schien sie im siebten Himmel zu schweben.
James genoss eine prachtvolle Schweinshaxe, eine große Portion Käse und etliche Mass Bier. Die Mutzenbergerin hielt kräftig mit. Wozu auf die Figur achten, wenn man auch so geliebt wurde?
»Ach du liebe Zeit!«, rief James schließlich gedämpft.
»Was ist denn, mein Lieber?« fragte Barbara.
»Jetzt hab' ich doch glatt das Geld in der anderen Westentasche steckenlassen. Ich muss zu meinem Quartier und ...«
»Nix da!«, wies die Metzgerwitwe ab. »Als ob das ein Problem wäre. Die Patschéra zahl natürlich ich ...«
»Aber, liebe Barbi...«
»Nix da.
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