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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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Inneren des erloschenen Vulkans, greift er in Stunden äußerster Bedrängnis zugunsten der in Not Geratenen ein, doch ohne sich zu erkennen zu geben.
    Das Kind ist zunächst verwirrt: Wie kann der Vater auch dort sein, in der Mitte des Vulkans, neben den in Not Befindlichen auf der geheimnisvollen Insel, und gleichzeitig ins Obergeschoss geflattert kommen? Ist es in Gestalt von Kapitän Nemo? Vielleicht ist der Vater nur einer von vielen Schutzengeln? Der auch anderen Kindern Schutz gewährt?
    Er ist irritiert. Er hatte geglaubt, den Schutzengel für sich allein zu haben.
    Aber er verwirft diese Gedanken rasch, weil er einsieht, dass der Vater trotz allem der einzige ist, der seine Wohltätigkeit gerade auf ihn ausrichtet. Das gibt den beiden eine Zusammengehörigkeit, die Gutes verheißt für bevorstehende Stunden der Angst und grenzenlosen Verlassenheit . Weil die Mutter manchmal laut aus den Erbauungsschriften vorliest, wo die großen Wörter dicht gesät sind, hat er diese Wörter von äußerster Not und Verlassenheit und großer Gefahr früh gelernt.
    Sie tragen gleichsam etwas Farbe auf. Er ist nicht ganz unzufrieden, wenn er ein winziges bisschen äußerster Not spürt.
    Nemo verändert alles. Die Figur des cheviotgekleideten Flatterers verblasst.
    Ein anderes Bild des abwesenden Vaters tritt hervor.
    Es ist die Vorstellung von einem heimlichen Freund, einem Wohltäter, der in seinem Todesalter stehengeblieben ist, der also einunddreißig Jahre alt ist.

Der Wohltäter ist tot.
    Er starb, als das Kind sechs Monate alt war. Er wiederholt es beinah rituell vor allen Wohlwollenden. Er starb, als ich sechs Monate alt war . Er wird dann oft bedauert, was ihm gefällt. Er bemerkt, dass die meisten glauben, es sei schade um diejenigen, die keinen Vater haben. Tragisch oder einsam. Ihm gefällt das Mitleid, er wiederholt gern Mein Vater starb, als ich sechs Monate alt war . Manchmal ein wenig ermüdend. Eigentlich ein bescheuertes Gelaber um dieses halbe Jahr, findet er selbst zuweilen; da ist er erwachsen und hat gelernt, die Sprache mit Flüchen zu misshandeln, aber er wiederholt es weiter.
    Selbst leidet er nicht besonders. Es ist nicht schade um ihn.
    Es kommt eben darauf an, wie ein Vater verschwindet.
    Als Kind kann man glauben, dass man selbst die Schuld daran hat, wenn der Vater verschwindet. Das Kind hat etwas getan, was in dieser Weise bestraft wird.
    Manche empfinden es so. Aber in seinem eigenen Fall: keinerlei Schuld. Der Vater stirbt an Blinddarmentzündung! Wer ist dafür verantwortlich? Er verschwindet nicht auf die falsche Weise. Die richtige Art und Weise ist, mit einunddreißig Jahren an Blinddarmentzündung zu sterben, wenn das Kind erst sechs Monate alt ist . Da ist es, wieder einmal! Und die Mutter versichert ständig, dass de Elof ein phantastischer Vater war, so lange es denn dauerte, ein halbes Jahr also , so wird es schuldfrei und undüster. Das Kind weiß, dass der Vater in den Himmel aufgenommen ist und zur Rechten Gottes sitzt und mit einem freundlichen, aber aufmunternden Lächeln von dort herabblickt.
    So ist es ein bisschen anders. Viel besser. Man ist nicht schuldig. Und man ist überhaupt nicht so allein. Im Gegenteil. Dann ist der Vater ein Wohltäter, den zu haben eine gute Sache ist, fast ständig. Die noch lebende Mutter schenkt ihm auf diese Weise einen Wohltäter, und er muss Dankbarkeit empfinden, ihr gegenüber – und ihrer Güte. Aber er ist selbst nicht so sicher, ob das mit der »Güte« richtig ist.
    Das Kind bittet sie oft, vom Vater zu erzählen, dem Toten. Dann erzählt sie von dem innig gläubigen und guten Vater, der in den Himmel aufgenommen wurde und dort sitzt, in einem fußlangen weißen Gewand, und so weiter. Dann nichts mehr davon. Es dauert vielleicht eine Minute. Dann Punkt, und ein anderes Thema. Keine Einzelheiten! Kein spezifisch väterlicher Charakter! Nichts, was ihm ein Gesicht verliehen hätte. Er wird kurz erwähnt , bekommt aber keine Persönlichkeit oder menschlichen Züge. Tot, aufgenommen, sitzend zur Rechten Gottes. Nicht beiseitegeführt, sondern aufwärts, um von der Ewigkeit verschlungen zu werden.
    Auf diese Weise beabsichtigt sie, ihn nach seinem Tod zu töten. Das Kind vermutet, dass sie Angst hat vor der Möglichkeit, jemand, also der Vater, könnte Teilhaber an dem Kind werden. Dem Kind, das sie ganz allein hat und immer besitzen wird, allein, in alle Ewigkeit. Wenn er nicht vor ihr flieht.
    Das Kind liebt seine Mutter und bewundert

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