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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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muss seinen Vater gleichsam herunterholen und ihn nicht nur Wohltäter sein lassen, sondern Reisegefährten.
    Es waren ja Dinge geschehen, seit er gestorben war. Über die der Vater aber nicht informiert war. Dass eine Buslinie eingerichtet worden war zwischen Skellefteå und Hjoggböle. Die Erfindung des Holzgasaggregats, so dass man kein Benzin mehr brauchte für den Bus. Und vieles mehr! Der Vater würde ja total abgehängt von der Entwicklung, wenn sein Sohn nicht als Ratgeber und Informant einspränge, versucht er einmal seiner Mutter zu sagen; doch sie betrachtet ihn nur schweigend, streichelt ihm den frisch geschorenen Schädel, weicht jedoch einer Antwort aus. Eine Stunde später fragt sie Redest du manchmal mit Papa?
    Er bejaht. Dann peng, Schluss mit den Fragen, aber sie wollte wohl nicht mehr wissen.
    Am gleichen Abend sitzt sie lange allein und liest die Bibel mit Tränen in den Augen, steht nach dem Abendessen auf und geht früh zu Bett. In der Nacht hört er an ihren Atemzügen, dass sie unruhig oder gar nicht schläft. Am Morgen versucht er, sich zu erklären, ich habe doch jetzt die Verantwortung, wo Papa tot ist, ihn mitzunehmen sozusagen. Aber ihr Blick ist aufs neue verschlossen, fast verzweifelt, und keine Antworten, und er spricht nicht mehr davon.
    Seine Mutter will nicht, dass sie Weihnachten allein sind.
    Es ist ja das Fest der Freude – dort tief im Wald zu sitzen und die Geburt Jesu zu preisen, ist innig, aber etwas einsam. Auch Jesus war Einzelkind, wie sie zu sagen pflegt, und Josef war ja nicht Jesu Vater, betont sie: Maria war allein Jesu Mutter. In gewisser Weise wünscht sie wohl, dass dieses nahezu biblische Gleichnis in sein Bewusstsein einsinken soll. Es hilft nichts. Es ist trotzdem einsam. Keine heiligen drei Könige besuchen das eingeschneite grüne Haus.
    Im übrigen haben sie auch auf der mütterlichen Seite eine große Familie. Sie ist auf Gammelstället geboren, einem Bauernhof mit Cousins und Cousinen und Tieren und Großmutter.
    Dorthin treten sie jedes Jahr zur Weihnachtszeit eine Expedition an.
    Der Bruder der Mutter heißt John. Er hat vier Kinder, die also Cousins und Cousinen sind, eine Frau, sechs Kühe, zwei Pferde, Tindra und Stella, acht Schweine, die keine Namen haben, sowie einen Knecht, der in der Bodenkammer wohnt und nicht verheiratet ist und der einem deshalb leid tun kann. Der Altknecht hat Ekzem im Haar und kratzt sich mit dem Fingernagel, wenn er die Roggengrütze isst, un dann tut e sich das Ekzem inn’ Mund rein . Keiner mag das, aber er will sich nicht bessern. Am schlimmsten ist es beim Essen, weil es eng ist. Sie passen mit Mühe und Not alle an den Tisch, es ist anderst als nur zu zweit zu sein wie im grünen Haus; eigentlich viel besser, abgesehen vom Ekzem des Altknechts, wenn sie beim Essen sind.
    Gammelstället lag an einem See, dem Bjursjö, sonst keine Häuser, abgesehen vom Larssonsgård. Es ging keine richtige Straße dorthin, man musste also zuerst den Bus nehmen, der mit Holzgas und von einem Chauffeur namens Marklin gefahren wurde, und bei dem Sumpf Harrsjömyren aus dem Bus springen, der trockengelegt war, unter anderem von der Mutter, als sie jung war, wie sie zu sagen pflegte, ohne dass ihr Bruder ihr widersprach. Dort sollte dieser mit einer rissla warten. Die rissla war ein Schlitten mit Krempen an den Kufen und Pelzdecken. Die rissla wurde von Stella gezogen, die lieber war als Tindra, die manchmal biss, besonders im Sommer, wenn das Kind da war und half.
    Er sollte gleichsam eingeübt werden in die Heuernte in Anbetracht seines bevorstehenden Lebens als gutgestellter Landwirt, denn seine Mutter hat jetzt ein hohes Ziel ins Auge gefasst für den eingeborenen Sohn: Landwirt oder Pastor. Lieber Pastor.
    Auf Gammelstället war man nicht so innig gläubig, sie waren zwar keine Heiden, sondern eher unerweckt, aber man legte keinen Wert darauf, mit der Mutter darüber zu diskutieren.
    Weihnachten mit Unerweckten machte mehr Spaß.
    Die Großmutter hieß Johanna, und bei ihr durfte er unter den Schaffellen schlafen, außer im Sommer. Er las ihr vor. Manchmal ermahnte sie ihn, besonders das letzte Mal, als sie starb; immer, wenn er vorlas, musste ermahnt werden.
    Als die Großmutter starb, hatte sie das vonnem Papa unnem Schnaps gesagt.
    Das Kind sieht die Reisen nach Gammelstället als Expedition. Sie ist von nicht geringem Schwierigkeitsgrad.
    Das vertraut er ’m Elof an.
    Weihnachtsexpeditionen sind nicht ungefährlich, pflegt er

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