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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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Gleichung ging jedenfalls nicht auf.
    All dies, die Plumpsklosünden, Königin Sibyllas verlockender Hintern, oder war es die Büste, die BH-Anzeigen von Åhlén & Holm, Jesu Blut, das Sündenbewusstsein, der Freibrief des Herrnhutismus gegenüber dem abwesenden bösen strafenden Gott: All dies vermischte sich für ihn. Der Reisegefährte, also der Vater, hatte in seiner Jugend vielleicht das gleiche Problem gehabt, aber die Mutter hatte während der kurzen Ehe kaum mit ihm über die Verwirrung diskutiert. Es fällt ihm schwer, sich zwischen den beiden ein ehrliches Gespräch über Sexualität vorzustellen.
    Er muss ganz allein in die religiöse Verwirrung eintreten.
    Sehr viel später sollte er Christiansfeld besuchen.
    Es war die dänische herrnhutische Siedlung, zu deren Errichtung Johann Friedrich Struensee, der Leibarzt des dänischen Königs Christian VII., kurz vor seiner Hinrichtung die Konzession erteilte. Er selbst hatte eines frühen Morgens dort auf dem Friedhof gestanden, dem Gottesacker, wie er genannt wurde, und den flachen liegenden Grabstein gefunden, der den Ruheplatz Efraim Markströms kennzeichnete.
    Einst in Bureå geboren, in Wirklichkeit mit dem biblischen Taufnamen Nicanor.
    Und plötzlich war ihm klar, dass er, wenn er sich als junger Mensch wirklich mit dieser Sekte vereinigt hätte, mit Sicherheit ein anderer geworden wäre. Nicht so weit gereist wäre. Nicht diese rastlose Unruhe in sich gehabt hätte. Aber vielleicht ein eigentümlich schmales und beständiges Glück in der Vereinigung mit diesem merkwürdigen Christus besessen hätte, der hier alle in die endgültige warme Spalte des Gottesackers zog. Konnte er so denken? Ja, er konnte.
    Die warme, blutvolle Vagina des Gottesackers.
    Er wäre dann dem Gottesacker wieder zugeführt worden, irgendwo auf der Welt. Es gab ja so viele Orte, an denen eine aufgegebene herrnhutische Siedlung zu finden war. Und er hätte nicht solche Angst haben müssen. Wie sollte man es sonst verstehen: dieses rituell Gefühlvolle! Dieses unerhörte Attentat auf den zähen Fundamentalismus der Erweckungsbewegung!
    Man musste den Kopf in Sündenangst beugen und durfte nur schweigend den Sog des Warmen, Verbotenen spüren. Aber die Herrnhuter waren auch Ketzer; die Erlösung, das Erbarmen und die Aufrichtung gab es nicht von einem Gott, von oben, als eine Gnade.
    Der Verlorene musste sich selbst auf seine eigenen Beine stellen, und gehen. Aber es sollte fast fünfzig Jahre dauern, bevor er verstand.
    Wie viele teilten sein Erlebnis des herrnhutischen Erbes in der Evangelischen Vaterländischen Stiftung?
    Er wusste es nicht. Man sprach nicht davon. Nicht die, die in seiner Kindheit an seiner Seite saßen, bei der kollektiven Lektüre von Rosenius, dem eigenen Luther und großen religiösen Revolutionär der Skellefteå-Region. Während dieser Sitzungen mit der Postille, jedes Mal mindestens zwei Stunden von unsäglicher Öde, gab es nicht einmal eine Andeutung dieses lockenden Untertextes für einen sexuell erwachenden jungen Menschen.
    Die Brücke zwischen Ritus und Sexualität. Deren Existenz man nie andeuten durfte, die Brücke zwischen der Unterwerfung unter den Glauben und dem Verbotensten. Er wusste, dass es sein eigenes Problem war. Wenn alle anderen Wärme und Geborgenheit fanden, fand er nur Schuld und Rastlosigkeit.
    Wer war dieser Jesus Christus, der sich vor einem aufbaute mit seinen gesegneten Fangarmen.

Er wird konfirmiert und erhält damit Zugang zum Abendmahlsritus. Jetzt befindet er sich mitten in einem Alptraum.
    Es ist ein Bekenntnisakt. Es wird angenommen, dass er ein bekennender Christ ist, kein wankelmütiger; als seine Klasse in der Höheren Volksschule Bureå ein Fest veranstaltet, verbreitet sich das Gerücht, dass dort getanzt werden soll. Die Mutter, deren Einstellung zum Tanzen allgemein bekannt ist, nimmt daraufhin Kontakt zum Vorstandsvorsitzenden, Pastor Ollikainen, auf. Dieser erlässt ein Tanzverbot, wagt vermutlich nichts anderes; es spricht sich schnell herum, dass es seine Mutter ist, die interveniert hat.
    Auf dem Schulhof wird es ein wenig still um ihn, aber das ist er ja gewöhnt.
    Trotz des Tanzverbots soll das Klassenfest steigen. Die Mutter sagt nein, kategorisch nein, er darf nicht hingehen. Doch er wandert zur Bushaltestelle, als seine Klassenkameraden aus dem Dorf zur Orgie fahren, und überreicht ihnen eine 78er-Platte, die er besitzt, mit Saint Louis Blues und auf der Rückseite Do You Know What It Means To Miss New

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