Ein anderes Leben
der Roman mit insgesamt hundertvierundsechzig Exemplaren verkaufen, doch er entscheidet, dass das nicht viel ausmacht. Er ist kein Sklave kommerziellen Denkens.
Sein Sohn Mats, nicht mehr vom großen Zeh des Vaters getröstet, aber in jeder Hinsicht eine Kopie seiner selbst in sehr jungen Jahren, nicht zuletzt was das Liebsein angeht, entwickelt sich. Er ist jetzt so groß geworden, dass er nicht mehr auf die Waage passt, ist also unmessbar. Er ist jedoch ein wichtiger Teil seines Lebens, fast ebenso bedeutungsvoll wie das Debütwerk. Er ist unsicher, wie eine Vatergestalt sein soll, fragt den Reisegefährten um Rat, bekommt aber keine Hilfe.
Er erkennt plötzlich, dass sein Vater, die theoretisch gesehen bedeutungslose und amputierte Vatergestalt auf der Krankenstation in Bureå, durch seine Abwesenheit trotz allem ein Problem geschaffen hat. Wie ist man eigentlich Vater? Die Hauptperson im Debütbuch ist indessen eine junge Frau. Er verbirgt sich in ihr. Es wäre allzu entlarvend gewesen, über einen jungen Mann zu schreiben. Er begründet hier eine Fluchtmethode, die in vielen seiner späteren Frauenporträts in den Theaterstücken zur Vollendung getrieben wird. Sein eigenes Kind wächst, doch wenn er zurückblickt, erinnert er sich an nichts von Wert, was er diesem Kind mitzugeben hat. Als Vater ist er ein gänzlich unbeschriebenes Blatt, wenn auch hingebungsvoll, und beinah sicher, dass alles, was er tut, falsch ist.
Er ist jedoch glücklich, dass die Zeit jetzt auch ihm erlaubt, ein spielender Mensch zu sein, und ist nur unerheblich angsterfüllt angesichts der Frage, ob dies erlaubt ist.
Nicht die geringste Andeutung dessen, was später im Leben geschehen wird.
Im November 1961 erlebt er seine öffentliche Feuertaufe.
Der Literaturclub an der Universität Uppsala veranstaltet in einem Lokal mit Namen Slottskällaren regelmäßig Leseabende. Kellergewölbe und Rotwein; das ist das richtige in diesen Jahren, Kellergewölbe und Rotwein. Einmal nur wird das Muster durchbrochen: Da kommt ein junger Dichter aus Stockholm, Urban Torhamn, und liest aus seiner Gedichtsammlung, die überall gelobt wird, in allen Stockholmer Zeitungen, was typisch ist, und bestimmt auch im Organ des schwedischen Hundezüchtervereins. Er bringt ein ungewöhnliches Getränk mit, den einzigen existierenden schwedischen Champagner, Knutstorps Sparkling, den er unter dem Tisch aufbewahrt. Er trinkt aus einer mitgebrachten Teetasse.
Alle nehmen es zur Kenntnis. An diesen kleinen Details kann man die bestehenden Stammesmuster unterscheiden: Ein erfolgreicher Intellektueller vom Stockholmstamm trinkt Knutstorps Sparkling aus der Teetasse .
Er bietet außerdem nichts an.
Der Stockholmer Gast gerät während der Diskussion nach der Lesung in ein verbales Handgemenge mit dem lokalen Debütanten Enquist. Der eigene Stamm ist daraufhin loyal und verstößt den Fremdling mit einigen scharfen assistierenden Diskussionsbeiträgen.
Bei der Lesung (mit Rotwein unter Kellergewölben), zu der er selbst eingeladen ist, um zu lesen, sind zwei andere junge Prosaautoren die Hauptnummer. Er selbst glaubt, seine Einladung nur einem Akt der Freundschaft seitens des Vorstands zu verdanken, was aber entschieden abgestritten wird. Die beiden anderen sind Göran Tunström und Lars Görling.
Die beiden sind, findet er nach kurzer Zeit, eine niederschmetternde Gesellschaft.
Göran Tunström, ebenfalls Debütant, wird bald den Roman Maskrosbollen herausgeben und einer der größten und meistgeliebten Erzähler seiner Generation werden. Es gelingt ihm während seiner Debütlesung nicht, dies zu verbergen. Brutal versprüht er seinen värmländischen Charme, alles andere als unbewusst!, denkt neidvoll sein Kollege, der einige Minuten nach ihm lesen wird.
Er erkennt an dem in der Hauptsache sehr jungen und schönen weiblichen Publikum, wie sich der erotische Nebel um Tunström von Minute zu Minute verdichtet, und sieht mit wachsender Verzweiflung ein, dass dies kein Spaziergang wird. Er hört vor Schrecken wie gelähmt zu. Tunström ist unschuldsvoll und rein, denkt er gehässig, aber es ist die Unschuld eines Berufsmörders! Obendrein zahlreiche Lachsalven. Eine schrecklich kindliche Anziehungskraft geht von diesem Tunström aus, der vollkommen unakademisch und deshalb von der ersten gelesenen Zeile an ein Sieger ist.
Sein Tonfall ist värmländisch. Es ist, was Dialekte betrifft, noch eine unpolitische Zeit; das Värmländische steht hoch im Kurs, während
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