Ein Anfang mit Biss - Rowen, M: Anfang mit Biss - Bitten & Smitten (Immortality Bites 01)
mittlerweile verschiedene Versionen von den Geschehnissen. Einer zufolge hatte ich versucht, Missus Saunders anzubaggern.
Ich schlug mit der Stirn gegen die kühle Oberfläche des Kühlschranks, vorsichtig allerdings. Großartig, einfach großartig. Bei meinem Pech würde ich vermutlich obendrein eine
Anzeige wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz kassieren.
Was konnte ich Amy erzählen, das nicht zu übergeschnappt klang? Ich wollte sie erst zurückrufen, wenn ich mir das zurechtgelegt hatte. Also schenkte ich mir noch ein Glas Wein ein, kippte das ebenfalls herunter und überlegte, ob ich mir noch ein drittes genehmigen sollte. Aber selbst die gesamten Weinreserven dieses Planeten hätte mich nicht entspannen können.
Ich duschte schnell und quetschte mich in eine hautenge, pinkfarbene Jogapants – ich machte zwar kein Joga, aber sie waren gerade höllisch angesagt – und zog ein eng anliegendes weißes T-Shirt mit dem pinkfarbenen Aufdruck DIVA und violetten Sternchen über. Meine Trostkleidung. Das trug ich gewöhnlich in einer ekligen Nacht, in der ich zu Hause blieb und mir Sex and the City auf DVD reinzog.
Doch das würde ich heute Nacht nicht machen. Ich brauchte Antworten und wusste, wo ich sie finden konnte. Ich griff mir meine Handtasche und durchwühlte sie. Einen Augenblick geriet ich in Panik, als ich fürchtete, ich hätte das Gesuchte tagsüber verloren, aber da war es, auf dem Grund meiner Handtasche, und klebte an einem Bonbon. Ich pflückte die Honig-Zitronen-Pastille von der Visitenkarte und starrte voll böser Vorahnungen darauf: MIDNIGHT ECLIPSE SONNENSTUDIO.
Also gut, Monsieur Thierry de Bennicoeur, dachte ich. Sie sind mir ein ganzes Sonnensystem von Erklärungen schuldig.
Eine knappe Stunde später betrachtete ich prüfend die Visitenkarte, um mich zu vergewissern, dass ich vor der richtigen Adresse stand. Ich musterte das Äußere des Sonnenstudios
und verzog das Gesicht. Es war ziemlich heruntergekommen, ebenso wie dieses ganze Viertel in Torontos Westend. Das nächste Starbucks war mehrere Blocks entfernt.
Aber ich brauchte ja schließlich auch kein schickes Vier-Sterne-Spa. Ich brauchte Antworten.
Mein Gesicht brannte von dem Schnee, den mir der Wind ins Gesicht peitschte. Es war noch kälter als letzte Nacht, und jetzt konnte ich mir nicht mal mehr selbst vormachen, dass ich nächste Woche nicht bis zur Hüfte im Schnee stecken würde. Das erklärte meine Freude auf die bevorstehende Reise nach Mexiko.
Ich schob die Visitenkarte tief in die Tasche meines schwarzen Ledermantels – meine Ersatzjacke, da mein hübscherer, teurer burgunderfarbener Mantel von meinem überraschenden Bad letzte Nacht so gut wie ruiniert war. Dann stieß ich die Milchglastür zum Sonnenstudio auf.
Hinter dem großen Empfangstresen war das Midnight Eclipse Logo – ein schwarzer Kreis, in dem die Worte » Midnight Eclipse« standen – an die ansonsten kahle Wand gemalt. Eine Plastikpalme fristete in ihrem Topf ein recht unwürdiges Dasein in der Ecke. Rechts von dem Tresen war eine schwarze, links davon zwei weiße Türen. Mehr als das und das schlabbrige, grüne Rasenimitat unter meinen Füßen hatte der Raum nicht zu bieten.
Ich runzelte vor Anspannung die Stirn. War hier niemand? Wäre das Studio geschlossen gewesen, hätte man die Tür sicher zugesperrt, oder etwa nicht? Jedenfalls sah das hier nicht wie ein Ort aus, den »Mr. Groß-Dunkel-und-Einschüchternd« aufsuchen würde. Warum also sollte er mich hierherschicken? War das seine Art von Humor? Nach diesem Tag war ich absolut nicht in Laune für solche Scherze. Mir war
eher nach hysterischem Weinen und zusammenhanglosem Plappern zumute, nicht nach Lachen.
»Sie müssen Sarah sein«, sagte jemand.
»Hallo?« Ich sah mich um, konnte jedoch niemanden entdecken. »Wer hat das gesagt?«
»Ich bin Barry.« Ein sehr kleiner Mann trat hinter dem Tresen hervor; er war kaum größer als ein Meter dreißig. Er trug einen Smoking, und auf seinem Kopf saß keck ein Zylinder. »Barry Jordan.« Er reichte mir seine kleine Hand. »Man sagte mir, dass Sie kommen.«
»Hallo.« Ich schüttelte automatisch seine Hand. Schließlich hatte ich keinen Grund, unhöflich zu ihm zu sein. »Dann bin ich wohl Sarah.«
»Ausgezeichnet. Ich nehme an, Sie wollen die große Besichtigungstour?«
Mein Blick glitt von der Palme zum Tresen. »Es gibt eine große Tour?«
»Aber ja doch.« Barrys Lächeln zeigte seine spitzen, winzigen Reißzähne. Er ließ
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