Ein Antrag nach Mitternacht
berichten. Als der Gentleman, der er war, würde er sehr wahrscheinlich versuchen, die Angelegenheit für sie aus der Welt zu schaffen, aber das wäre schlichtweg verkehrt.
Und abgesehen davon wäre es in höchstem Maß demütigend, den Mann, den sie nicht geheiratet hatte, wissen zu lassen, welchen Fehler sie mit dem Mann gemacht hatte, mit dem sie die Ehe eingegangen war. Dann würde er auch wissen, wie nah am Rande zur Armut sie lebte, wie sie versuchen musste, genug Geld aufzutreiben, um Essen, Kleidung und die Dienerschaft zu bezahlen. Zudem bestand die Gefahr, dass er ihre Beichte als Aufforderung auffasste, Perkins zu bezahlen, was sie erst recht vor Scham im Erdboden hätte versinken lassen. Wieder trank sie von ihrem Brandy.
Rochfords Blick erfasste ihren Morgenmantel an der Stelle, an der sich die Revers teilten, sodass der Ansatz ihrer Brüste im Schatten erkennbar wurde. Unwillkürlich fragte er sich, was sie unter dem Morgenmantel trug. Wenn es ein Nachthemd war, musste es tief ausgeschnitten sein, aber vielleicht war es ja auch nur ihre hauchdünne Unterwäsche, die unter dem Stoff verborgen lag. Er wollte zum Sprechen ansetzen und erschrak, wie belegt seine Stimme klang. Erst nachdem er sich geräuspert hatte, konnte er einen neuen Versuch unternehmen. „Ich habe überlegt, ob wir über die … ähm … die Damen reden könnten, die wir in Erwägung gezogen hatten.“
„Ja, natürlich.“ Francesca war heilfroh darüber, dass sie ihre Gedanken in andere Bahnen lenken konnte. „Wie hat Ihnen Lady Damaris gefallen?“
„Sie scheint recht bewandert zu sein, wie Sie bereits sagten. Konversation liegt ihr.“ Er ließ eine lange Pause folgen.
„Dann … dann geben Sie ihr den Vorzug?“ Seine Worte hörten sich für sie an wie verhaltenes Lob, allerdings war Rochford auch ein sehr vernünftiger Mann.
„Nicht unbedingt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendeiner Kandidatin den Vorzug geben würde.“
„Sie haben sich eine Weile mit Lady Mary unterhalten, was mich überrascht hat. Für gewöhnlich wirkt sie auf mich recht schüchtern.“
Er verzog den Mund zu einem angedeuteten Lächeln. „Ich vermute, sie hält mich für zu alt, um sich vor mir zu fürchten. Sie sieht mich eher in der gleichen Gruppe wie ihren Vater und dessen Freunde.“
„Zu alt?“ Francesca sah ihn verdutzt an, dann musste sie lachen. „O weh.“
„Lachen Sie nur, meine Liebe“, gab er zurück. „Aber darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mir nur mit wenigen Jahren Abstand folgen?“
„Oh, ja, ich weiß. Zweifellos bin ich selbst auch schon eine alte Schachtel.“ Sie grinste ihn vorwitzig an. „Vielleicht können Sie sich ihr ja mit einer List nähern. Ganz sicher werden Sie sie später davon überzeugen können, dass Sie kein Tattergreis sind.“
„Das scheint mir bei ihr mit sehr viel Aufwand verbunden zu sein.“
„Und was ist mit Lady Caroline?“ Sie musste an den Stich denken, den sie verspürt hatte, als er in eine Unterhaltung mit der besagten Dame vertieft gewesen war. Vermutlich war ihre Reaktion Neid auf die Jugend des Mädchens gewesen, doch davon durfte sie sich nicht beeinflussen lassen, und genauso wenig durfte sie versuchen, ihn zu beeinflussen.
Er presste die Lippen zusammen. „Zum Teufel, Francesca! Welcher Wahnsinn hatte Sie im Griff, als Sie dieses Kind auf mich gehetzt haben? Ich hoffe, ich werde niemals einem Menschen begegnen, der noch langweiliger ist als diese Caroline.“
Nur mit Mühe konnte sie sich ein Lachen verkneifen. Sie sollte nicht eine solche Erleichterung darüber verspüren, dass er diese junge Frau so gar nicht ausstehen konnte, dennoch konnte sie ihre Belustigung nicht verbergen.
„Sie war unfähig, sich über irgendein Thema zu unterhalten“, fuhr er voller Verbitterung fort. „Und falls sie zu irgendetwas eine eigene Meinung hat, dann ist es mir nicht gelungen, die ans Tageslicht zu holen. Sobald ich ihr eine Frage stellte, reagierte sie mit der Gegenfrage, was ich denn davon halte. Welchen Sinn soll das ergeben? Ich weiß schließlich, was ich von einer Sache halte!“
Francesca biss sich auf die Lippe. „Vielleicht sollten Sie Lady Caroline noch eine Chance geben. Sie ist sehr jung, und vielleicht reagiert sie auf jemanden wie Sie mit Schüchternheit.“
„Auf jemanden wie mich?“, wiederholte er und schaute sie eindringlich an. „Wie meinen Sie das? Wollen Sie damit andeuten, ich sei Furcht einflößend? Oder spielen Sie damit auf mein
Weitere Kostenlose Bücher