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Ein Ballnachtstraum

Ein Ballnachtstraum

Titel: Ein Ballnachtstraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jillian Hunter
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später überquerte er die Straße vor Drakes Haus im Sturmschritt, um nicht bis auf die Haut nass zu werden, so eilig, dass er den Mann auf dem Gehsteig beinahe umgerannt hätte. Es handelte sich um Evan Walton, dem Detektiv aus der Bow Street und engen Vertrauten der Familie. Ein Blick in Waltons sorgenvolles Gesicht genügte, um ihn auf eine Katastrophe gefasst zu machen.
    „Wurden auch Sie von der Familie hierher beordert?“, fragte er und schluckte gegen den Knoten in seiner Kehle an. Er hätte Drake vor ein paar Stunden nicht alleine lassen dürfen. Er hatte geahnt, dass etwas mit ihm nicht stimmte. „Kommen wir zu spät?“
    „Zu spät wofür?“ Walton klang ziemlich verdrießlich, kein Wunder, da er offenbar schon eine Weile an der Tür klopfte, ohne eingelassen zu werden, worauf sein völlig durchnässter Gehrock schließen ließ.
    Ohne weitere Umstände stieß Devon die Haustür auf, bat Walton einzutreten, und stürmte ins Arbeitszimmer, dann die Treppe hinauf in den ersten Stock auf der Suche nach Drake. Kurz darauf riss er die Tür zu seinem Schlafzimmer auf, wo sich alle Dienstboten befanden.
    „Gütiger Himmel“, murmelte er entsetzt und verharrte an der Schwelle. „Ich komme zu spät.“ Seine Stimme klang dumpf und tonlos. „Sie haben sich an seinem Totenbett versammelt und erweisen ihm die letzte Ehre.“
    Allerdings wirkten die Dienstboten, die geschäftig in dem großen Zimmer hin und her eilten, keineswegs ehrerbietig oder betroffen. Drakes Kammerdiener Quincy pfiff sogar eine lustige Melodie, während er Festtagskleider auf dem frisch bezogenen Bett zurechtzupfte. Ein Stubenmädchen schwang einen Staubwedel, eine andere Magd kauerte auf dem Fußboden und wachste und polierte das Parkett. Eine dritte arrangierte einen riesigen Blumenstrauß in einer hohen Wedgwoodvase und bewunderte ihr Werk, als gelte es, einen Wettbewerb zu gewinnen.
    „Was zum Teufel geht hier vor?“, grollte Devon düster, nachdem er sich wieder ein wenig gefasst hatte.
    „Oh, Lord Devon“, rief ihm die Blumenkünstlerin über ihr Meisterwerk hinweg zu. „Ist das nicht die schönste Neuigkeit, die Sie je gehört haben?“
    Er wagte einen Blick zum Bett, auf dem nicht der aufgebahrte Leichnam seines Bruders lag. Und die gesamte Dienerschaft machte keineswegs den Eindruck, in tiefer Trauer zu sein. Im Gegenteil: Alle waren bester Laune.
    Diese unnatürliche Heiterkeit hätte ihm eine Warnung sein müssen. Und plötzlich war ihm, als werde ihm ein rostiger Nagel der Angst mitten in sein sorgloses Herz gehämmert. „Welche Neuigkeit?“, fragte er argwöhnisch in die Richtung der vor Glück strahlenden Blumenbinderin und fand endlich den Mut, das Zimmer zu betreten.
    Das Mädchen wurde blass und warf dem Kammerdiener einen ängstlichen Blick zu. „Es ist doch kein Geheimnis, oder?“
    Quincys Mundwinkel zogen sich nach unten. „Offensichtlich nicht, da mir die Nachricht von einem einfachen Hilfsdiener hinterbracht wurde, nicht aber von Seiner Lordschaft persönlich.“
    „Welche Neuigkeit?“, erkundigte sich Devon tonlos und lehnte sich geschwächt gegen den Bettpfosten. Nicht einmal im Krieg hatte er das Bewusstsein verloren, als er einen Kameraden festhalten musste, dem der Chirurg im Feldlazarett zwei Zehen amputierte. Wenn das allerdings stimmte, was er befürchtete, bestand durchaus die Gefahr, dass er ohnmächtig zu Boden sank wie eine zimperliche Jungfrau.
    „Lord Drake heiratet heute“, zwitscherte das Stubenmädchen, das auf einem Stuhl balancierte und eifrig ein Bild abstaubte.
    „Er heiratet?“, wiederholte er fassungslos. „Wen denn?“
    „Seine Mätresse natürlich“, antwortete sie begeistert. „Praktisch eine von uns. Ist das nicht wunderbar … wie im Märchen. Gehen Sie denn nicht zur Hochzeit?“ Sie plapperte munter drauflos, ohne Atem zu holen, bis Quincy sie mit einem strafenden Blick zum Schweigen brachte.
    „Ich würde nicht mal hingehen, wenn ich eingeladen wäre“, erwiderte Devon mit Grabesstimme.
    Und dann floh er aus dem Zimmer, als sei der Teufel oder die Pest hinter ihm her. Und irgendwie war an dieser Furcht erregenden Vorstellung ein Körnchen Wahrheit. Einer nach dem anderen hatten seine Brüder ihre sündigen Seelen auf dem Altar der Ehe geopfert. Gütiger Himmel, er wollte sich um keinen Preis davon anstecken lassen. Am liebsten hätte er sich ein Fläschchen Riechsalz unter die Nase gehalten.
    Er stolperte hastig die Treppe hinunter. Seine erste Pflicht war nun die,

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