Ein Ballnachtstraum
anflehen müsste, bis du mich endlich erhörst.“
„Man wird dich einsperren, wenn du das tust“, flüsterte sie schwach.
„Könntest du so grausam sein und zulassen, dass man mich in ein dunkles Verlies steckt, nur weil ich dich liebe?“
„Nein“, antwortete sie nach langem Schweigen.
„Dann lautet deine Antwort also Ja?“
Als hätte der Schurke je daran gezweifelt, dachte sie. „Ja. Meine Antwort ist Ja. Aber wie wird deine Familie reagieren, wenn du mich als deine Verlobte vorstellst?“
Er zog die Brauen in der Stirnmitte zusammen. „Ehrlich gestanden hatte ich gehofft, diesen Teil unserer Verlobung vermeiden zu können.“
Ihr Herz sank, sie spürte, wie ihr aus Verlegenheit die Röte ins Gesicht stieg. Natürlich würde seine Familie seine Wahl missbilligen. Er heiratete unter seinem Stand, an dieser Tatsache war nun mal nicht zu rütteln. Selbst seine liberal gesinnten Geschwister würden versuchen, diese Verbindung zu hintertreiben. „Wäre es dir lieber, wenn sie mich nicht kennenlernen? Soll ich deine heimliche Ehefrau sein?“
Er hob ihr sanft das Kinn. „Ich muss dich korrigieren. Mir wäre lieber, du würdest meine Familie nicht kennenlernen.“ Er begann zu lachen. „Ich fürchte, du hast meine Worte falsch aufgefasst, Eloise. Ich habe keinerlei Bedenken, dass die Boscastles dich ablehnen könnten. Ich befürchte vielmehr, sie versuchen, deine Meinung über mich zu ändern.“
Eloise schürzte lächelnd die Lippen. „Das wird ihnen nicht gelingen. Aber wieso? Was könnten sie für Einwände haben?“
Drake räusperte sich. Seine Geschwister wüssten weiß Gott ein paar unrühmliche Geschichten über seine Schandtaten preiszugeben. „Hör einfach nicht hin, wenn sie etwas über meine anrüchige Vergangenheit erzählen.“
„Deine anrüchige Vergangenheit?“, fragte sie in gespieltem Erschrecken. „Und wie lautet ihr Urteil über deine gegenwärtigen Schandtaten?“
„Daran haben sie sich mittlerweile gewöhnt.“ Er blickte ihr tief in die Augen, wusste nicht genau, wie er ihr seine Gefühle erklären sollte, bis er erkannte, dass sie auch ohne viele Worte begriff. Die liebevolle Zärtlichkeit, die in ihren warmen braunen Augen leuchtete, sprach für sich selbst. Sie hatte in ihm die Fähigkeit zu lieben zum Vorschein gebracht. War diese Fähigkeit immer schon in ihm vorhanden gewesen? Ein Knoten schnürte ihm die Kehle zu, ihm wurde eng um die Brust. „Du hast ein Wunder an mir vollbracht, Eloise. Vor mir liegen die glücklichsten Jahre meines Lebens. Mit dir.“
Sie strahlte über das ganze Gesicht. „Ich liebe dich“, flüsterte sie innig.
32. KAPITEL
Drake überlegte hin und her, wie es ihm gelingen könnte, Eloise auf das Treffen mit seiner Familie vorzubereiten, ohne sie zu erschrecken oder einzuschüchtern. Römische Gladiatoren hatten vermutlich ähnliche Bedenken gehabt, als sie ihre Kampfbereitschaft stählten, ehe sie gegen die Löwen in der Arena antreten mussten. Jedenfalls wäre er bereit, seine Liebste bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen und sich das Fleisch von den Knochen reißen zu lassen, um sie zu beschützen. Eloise hatte weiß Gott genug für einen Tag durchmachen müssen. Immer, wenn er den Bluterguss an ihrer Wange sah, zog sich sein Herz zusammen, und der glühende Zorn stieg wieder in ihm hoch. Vor ihm lag ein ähnlicher Kampf, den sie gemeinsam bestehen würden.
Die Karosse kam vor dem eleganten Herrenhaus in der Park Lane zum Halten. Hier wohnte Grayson Boscastle, der fünfte Marquess of Sedgecroft. Grayson war einst ein leichtlebiger, vergnügungssüchtiger Lebemann gewesen, der sich nicht um Konventionen geschert und die feine Gesellschaft Londons mit seinen unzähligen Indiskretionen und Skandalen brüskiert und in Empörung versetzt hatte. Ein treuer Verbündeter seiner lebenshungrigen Brüder, der sich an all ihren Streichen und gefährlichen Abenteuern mit großer Begeisterung beteiligt hatte.
Mittlerweile war ein treuer Ehemann und fürsorglicher Vater aus ihm geworden, der seine Rolle als Familienoberhaupt und Patriarch für Drakes Geschmack erheblich zu ernst nahm.
Beim Betreten der weitläufigen, mit hohen Säulen bestückten Eingangshalle warf er Eloise einen entschuldigenden Blick zu. Weeds Absätze hallten auf den Marmorfliesen wider. Wenn es irgendeine Möglichkeit gegeben hätte, Eloise das Treffen mit seiner Familie, deren kriegerische Vorfahren vor Jahrhunderten das halbe Land mit Angst und Schrecken überzogen
Weitere Kostenlose Bücher