Ein Ballnachtstraum
zärtlich. „Ich hätte dir nicht leichtfertig, einen Antrag gemacht, wenn es mir nicht ernst damit wäre. Und es hat auch nichts damit zu tun, dass du in Gefahr warst. Ich hatte mich bereits vorher entschlossen, dir einen Antrag zu machen.“
„Eigentlich hast du mir gar keinen Antrag gemacht, wenn ich es mir genau überlege. Du hast lediglich erklärt, dass wir heiraten, und das war alles.“
Er trat auf die Straße und schaute nachdenklich einem Heuwagen nach, der von zwei Ochsen gezogen wurde. Eloise wusste nicht recht, ob es ihm peinlich war, über seine Gefühle zu sprechen, oder ob er durch irgendetwas abgelenkt wurde. Wie dem auch sei, er schenkte ihr keine Aufmerksamkeit mehr. Wieso war seine Stimmung so plötzlich umgeschlagen?
„Wo ist meine Kutsche geblieben?“, murmelte er.
Eloise spähte seitlich an ihm vorbei. „Da vorne biegt eine Kutsche in die Straße ein.“
„Das ist keine Kutsche“, widersprach Drake grollend und zog sie auf den Gehsteig zurück, als eine elegante schwarz glänzende Karosse mit einem goldenen Wappen auf dem Wagenschlag, gezogen von sechs weißen Pferden, sich näherte. Das Gefährt nahm fast die ganze Breite der Straße ein. „Das ist ein Wanderzirkus.“
„Ein was?“ Ihre Stimme ging beinahe im Hufeklappern und Klirren der glänzend polierten Pferdegeschirre unter. Sie bestaunte den livrierten Kutscher mit Lockenperücke und den majestätischen, gleichfalls livrierten Lakaien neben ihm, spürte aber Drakes Missbilligung beim Anblick dieser Zurschaustellung aristokratischen Prunks. „Ist das jemand, den du kennst?“, erkundigte sie sich neugierig.
Mit einem ausweichenden Achselzucken umfasste er ihren Ellbogen und wollte wieder zurück in Lady Heatons Haus. „Ich glaube, wir sollten doch wenigstens ein Stück von der Hochzeitstorte essen. Es war eigentlich ziemlich unhöflich, dass wir uns weggeschlichen haben wie zwei Diebe.“
Sie warf einen Blick über die Schulter auf die noble Karosse. „Was redest du? Du konntest es doch kaum erwarten, dass der Priester die Trauungsformel endlich sprechen würde.“
„Zugegeben.“ Er rieb sich den flachen Bauch. „Aber irgendwie verspüre ich Gelüste.“
„Nach einer Hochzeitstorte?“, fragte sie skeptisch.
Er festigte seinen Griff. „Ja, mir läuft bereits das Wasser im Mund zusammen.“ In diesem Moment stieg der hoheitsvolle Diener vom Kutschbock der prunkvollen Karosse und näherte sich dem Paar, dabei wich er geziert einer Regenpfütze aus. Welche Katastrophe, dachte Eloise belustigt, wenn ein Lehmspritzer die weißen Seidenstrümpfe beschmutzen würde.
Sie empfand erwartungsvolle Spannung. Nicht dass der blasierte Diener, so eindrucksvoll seine goldbetresste Livree auch sein mochte, sie eingeschüchtert hätte, aber irgendwie hatte sie den Eindruck, als fürchte Drake eine Begegnung mit ihm. Wer war dieser Mann? Was wollte er von ihm? Mittlerweile hatten sich ein paar Passanten auf dem Gehsteig versammelt.
Der distinguierte Diener verneigte sich vor Eloise und schnipste mit dem Finger nach hinten über seine Schulter. Ein zweiter Diener öffnete den Wagenschlag und zog das Treppchen heraus.
„Der Wagen seiner Lordschaft steht bereit, Mylady“, verkündete der blasierte Diener an die Zuschauerschar gerichtet.
Eloise seufzte beglückt. Sie liebte Überraschungen. War das der Grund für Drakes Zerstreutheit? „Wie aufmerksam von Seiner Lordschaft.“ Sie lächelte Drake strahlend an, dessen mürrische Miene allerdings nicht zu diesem romantischen Moment passen wollte. „Das wäre aber nicht nötig gewesen, Drake“, flüsterte sie ein wenig scheu.
Er starrte den Diener finster an. „Das war keineswegs meine Idee.“
„Aber …“ Sie stockte, als der Diener sie einfach in das geräumige Wageninnere hob. Die Brokatvorhänge waren geschlossen, um die Passagiere vor neugierigen Blicken zu schützen. Drake folgte ihr schweigend mit unbewegter Miene.
Die seltsame Szene wirkte auf Eloise wie die Entführung einer Prinzessin im Märchen.
„Werde ich etwa entführt?“, fragte sie.
„Anscheinend werden wir beide entführt“, entgegnete Drake und ließ sich auf den Samtpolstern ihr gegenüber nieder. Er schien keineswegs begeistert von der Idee zu sein, war offenbar ebenso überrumpelt wie sie.
Die Karosse fuhr an. Eloise schob den Vorhang ein wenig beiseite. Passanten und kleinere Fahrzeuge wichen an den Straßenrand, um dem prächtigen Sechsergespann ehrerbietig Platz zu machen.
„Gehe ich
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