Ein Ballnachtstraum
Er klang überzeugend, und sie wollte ihm nur zu gern glauben. Aber war Überzeugungskraft nicht die Stärke von Frauenverführern? „Dem Bericht zufolge hast du dir ja sehr große Mühe gegeben, ihre Gunst zu erringen.“
„Das stimmt“, gestand er unumwunden. „Und vermutlich wäre sie auch meine Mätresse geworden, wäre ich nicht kurz vor unserem ersten Rendezvous dir begegnet.“
Die beiden maßen einander abschätzend und schwiegen lange, bis er zu lächeln begann. „Entsinnst du dich? Du hast mit mir getanzt, und ich habe dich in den Garten gelockt.“
Eloise wandte sich ab. Die Erinnerung versetzte ihr einen Stich ins Herz. „Natürlich. Ich weiß auch noch, wo du hinterher gewesen bist.“
„Und wo bin ich jetzt, Eloise?“, fragte er belustigt.
Sie verdrehte seufzend die Augen. „Ich kann mich doch nicht mit einer Frau wie dieser Maribella St. Ives messen. Ich bin eine einfache Gouvernante, Drake, keine erfahrene Kurtisane.“
„Vielleicht stört mich das gar nicht“, entgegnete er mit zärtlicher Stimme.
Sie wurde unschlüssig. Nachdem er sie gezwungen hatte, ihm alles zu beichten und sich zu verteidigen, wollte sie die Sache allerdings nicht so einfach auf sich beruhen lassen. „Sie soll sehr schön sein, steht in der Zeitung.“
„Das ist sie“, meinte er achselzuckend. „Aber sie ist nicht wie du.“
Eloise ging zum Fenster und schob den Vorhang ein wenig beiseite. „Hast du dich wirklich monatelang um sie bemüht?“
„Ja.“
Sie seufzte wieder. Wenigstens war er kein Lügner. „Verstehe.“
Drake trat hinter sie. „Aber ich habe mein ganzes Leben auf eine Frau wie dich gewartet.“
Sie wandte sich langsam um und sah zu ihm auf. Es wäre wohl ein bedeutsamer, vielleicht unvergesslicher Augenblick gewesen, wäre die Haustür nicht so krachend ins Schloss geworfen worden, dass die Wände erzitterten. Eloise schaute rasch aus dem Fenster und bekam große Augen.
„Ach du liebe Güte. Mrs. Barnes verlässt das Haus mit ihrer Reisetasche.“
„Wieso das denn?“, erkundigte sich Drake nicht sonderlich interessiert.
„Vermutlich weil wir beide sie angeschrien und sie aufgefordert haben, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern“, erklärte Eloise unglücklich. „Ich habe sie noch nie so scharf zurechtgewiesen. Wir müssen sie unbedingt zurückholen.“
Er versperrte ihr den Weg. „Wieso lässt du sie nicht gehen? Reisende soll man nicht aufhalten. Sie ist nur ein Dienstbote, Eloise.“
„Manche Leute könnten das auch von mir sagen“, entgegnete Eloise schnippisch.
Und in einem jener höchst bedauerlichen, allerdings nicht seltenen Momente, wenn ein Mann das äußert, was ihm als erstes durch den Sinn schießt, antwortete er: „Mag sein. Aber ich schlafe nicht mit Mrs. Barnes, oder? Und ich denke nicht daran, einer Haushälterin, nicht einmal meiner eigenen, auf der Straße nachzulaufen, nur weil ich ihr geraten habe, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern.“
Zwanzig Minuten später brachte Drake Mrs. Barnes ins Haus zurück, die weniger von seinen überschwänglichen Entschuldigungen beeindruckt schien als von ihrer triumphalen Fahrt in seiner eleganten Karosse. Es war der glanzvolle Höhepunkt ihrer Karriere als Haushälterin, dass ein vornehmer Aristokrat sie um Verzeihung bat.
„Er fährt mich direkt vor die Haustür“, prahlte sie in die Runde der neugierigen Dienstboten aus der Nachbarschaft, die sich auf dem Gehsteig versammelt hatten. „Wie eine Königin. Lord Drake ist ein echter Gentleman.“
Freddie hob ihre Reisetasche aus dem Wagen. „Ich dachte, Sie verzeihen ihm nie, weil er Ihnen den Mund verboten und gesagt hat, sie sollen sich um Ihren eigenen Kram kümmern.“
Sie rauschte an ihm vorbei zur Haustür. „Und recht hatte er damit, du Grünschnabel. Einer Haushälterin steht es nun mal nicht zu, sich in die Angelegenheiten ihrer Herrschaft einzumischen.“
„Was machen die beiden denn jetzt?“, fragte Freddie, als die Karosse sich in den Verkehr einfädelte und Miss Goodwin und ihren neuen Beschützer entführte.
Mrs. Barnes winkte Lord Drakes Kutscher und den beiden Dienern auf dem hinteren Trittbrett freundschaftlich zu, die ihren Gruß mit einem steifen Nicken erwiderten. „Ich schätze, von heute an kann Seine Lordschaft nach Belieben kommen und gehen, mein Junge. Und wenn unsere Eloise sich bald in ihrem hübschen Haus eingelebt hat, sind wir gerne bereit, wieder in ihre Dienste zu treten, nicht wahr?“
23. KAPITEL
„Das war
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