Ein Band aus Wasser
gewesen ist, der sich so auf ihn ausgewirkt hat. Aber jetzt sieht es ganz so aus, als wärst du es.«
» Oh mein Gott.« Ich merkte, wie sich mir vor Erschütterung die Kehle zuschnürte und mir Tränen in die Augen traten. Ich hatte Kevin das angetan. Meine Magie hatte ihn ins Krankenhaus gebracht. Jetzt fiel mir alles Mögliche wieder ein: Kevin, dem ein paar Mal plötzlich schwindlig zu werden schien. Seine Stiefmutter, die schwankend im Türrahmen gestanden hatte. Jedes Mal, wenn ich auch nur einen winzig kleinen Zauber angewandt hatte, hatte ihn das negativ beeinflusst. Und der Zauber heute war ziemlich stark gewesen und hätte ihn fast getötet.
» Oh mein Gott«, sagte ich wieder. » Was soll ich jetzt tun?«
» Du musst lernen, Grenzen zu schaffen, und zwar so schnell wie möglich«, erwiderte Petra. » Aber das kann lange dauern. Ansonsten musst du aufhören, in Kevins Nähe – und eigentlich in jedermanns, der keine Hexe ist – Magie zu praktizieren, egal welcher Art und aus welchem Grund. Hexen verfügen von Natur aus über einen Abwehrmechanismus – da müsstest du schon mit Gewalt versuchen, ihnen ihre Kraft zu entziehen.«
Ich schluckte und mied ihren Blick. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was ich mit Daedalus vorhatte.
» Die dritte Möglichkeit ist, dass du Kevin einfach nicht mehr triffst.«
Heute, gestern Abend, die ganze Woche – es war einfach alles zu viel gewesen. Ich ertrug es nicht länger. » Ich gehe duschen«, sagte ich mit brüchiger Stimme. Rasch stand ich auf und schaffte es gerade noch durch die Tür, bevor ich zu weinen anfing.
» Thais!«, rief Petra. Ich drehte mich um und sah, dass sie sehr ernst aussah.
» Du musst ein paar schwere Entscheidungen treffen«, sagte sie mit freundlicher Stimme. » Aber es muss sein. Lass es mich wissen, wenn du Hilfe brauchst.«
Ich nickte und lief nach oben. Im Badezimmer zog ich den Duschvorhang um die große, altmodische Badewanne. Mit geschlossenen Augen legte ich mich in die Wanne und ließ Wasser auf mich herabregnen, als könne es all meine Dunkelheit wegwaschen.
Kapitel 11
Weitere hundert Jahre
» Ich bin mir nicht sicher, ob sie mit dir reden will.« Axelle klang entschuldigend, doch Sophie ließ sich nichts vormachen.
Sie hatte sich vorbereitet. » Axelle, ich muss Manon auf der Stelle sprechen.«
Als ihr Axelle noch immer den Eingang zu ihrem Apartment versperrte, drängte sich Sophie an ihr vorbei und betrat den kühlen, dunklen Innenraum. Es war erstaunlich, dachte sie, wie es ihnen allen immer wieder gelang, eine für sie typische Umgebung zu finden, egal in welcher Stadt sie gerade wohnten. Axelles Apartments sahen immer so aus. Das von Daedalus war ebenfalls unverkennbar seins. Und dort, wo sie und Manon sich niederließen, war es immer heimelig, warm, freundlich und sicher gewesen.
Nur jetzt nicht. Manon war fort, die meisten ihrer Kleider aus dem gemeinsamen Schrank verschwunden. Alles wirkte unerträglich trostlos und leer, es war schrecklich, nach Hause zu kommen. Dabei war sie erst seit vier Tagen weg.
Axelles kleiner, dunkler Vorraum öffnete sich nach rechts zu einem großzügigen Wohnzimmer und links zu einer kleinen Küchenzeile, die ein halblanger Tresen von der Diele abtrennte. Eine schwarze Katze saß darauf und trank Wasser aus einer Schüssel. Sophie wollte auch eine Katze. Vielleicht würde sie Manon ein Junges kaufen. Doch eigentlich hatte Manon gesagt, sie wolle nicht so angebunden sein, wie es die Fürsorge für ein Tier erforderte.
Es brauchte einen Moment, bis sich Sophies Augen an die Beleuchtung gewöhnten. In der Küche war Licht an, doch das Wohnzimmer wurde nur von zwei schwachen Lampen erhellt. Das Erste, was sie sah, war Marcels helles Haar, das die Farbe einer Kupfermünze hatte und sich deutlich vom Schwarz und Weiß der Küche abhob. Was tat er hier? Seine unerwartete Anwesenheit machte sie nervös.
» Sophie«, sagte er und nickte ihr zu.
» Hi«, erwiderte sie fahrig und wandte sich dann zum Wohnzimmer um.
Zu ihrer Erleichterung erblickte sie Manon, die, quer über die Armlehnen des Ledersessels drapiert, eine Marie Claire las.
» Hi«, sagte Sophie und lief eilig zur ihr hinüber. Sie sank neben Manons Sessel nieder und blickte in das Gesicht, das sie mehr als hundert Jahre lang geliebt hatte. Manon wirkte müde und unglücklich. Sophie wollte sie in ihre Arme ziehen, sie fest umschlungen halten, ihr sagen, dass alles gut würde. Sie streckte die Hände aus und berührte
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