Ein Band aus Wasser
eine ganz normale Orchidee in ihrem Topf betrachtet und im nächsten wurde sie zu diesem seltsamen vi brierendem Ding, das grünlich leuchtete und sichtbar Energie oder Kraft oder was auch immer abstrahlte.
» Dies ist ihr Leben«, sagte Carmela leise und fuhr mit ihren gebräunten Fingern über ein Blatt, das an den Rändern leuchtete. » Und dies ist ihre Magie.« Sie deutete auf die Schwingungen, die die Pflanze abgab, wie spitzblättrig die Bewegung sie auf einmal erscheinen ließ, wie sie so vibrierte wie eine Saite, die man gezupft hatte. » Wir lassen ihr ihr Leben, aber wir nehmen ihr die Magie. Und wir werden sie nicht für uns selbst verwenden. Dieses Mal.«
Wieder begann sie zu singen. Ungefähr jedes zehnte Wort konnte ich als Französisch identifizieren.
Sie ließ ihre Hände über die Pflanze gleiten, und ich schwöre, ich konnte sehen, wie sich ein schwacher Umriss der Pflanze langsam von der eigentlichen Pflanze löste. Es sah aus wie eine dünne, schimmernde blaugrüne Linie in Orchideenform und Carmelas Hände schienen sie wegzulocken. Ich war wie zur Salzsäule erstarrt und fragte mich, die Augen weit aufgerissen, ob ich wohl halluzinierte. Ganz offensichtlich war dies eine Magie von ganz anderem Ausmaß und mit einer ganz anderen Zielsetzung als alles, mit dem ich bislang in Berührung gekommen war.
Ich fühlte die schwachen, flatternden Schwingungen der Silhouette, als würden mich die Flügel eines Schmetterlings streifen. Carmela schien den Schattenriss mit der Hand zu umschließen, dann öffnete sie die Finger, als würde sie eine Sternenexplosion imitieren. Die Silhouette krümmte sich zusammen und sprang schließlich auseinander, ein stummer Feuerwerkskörper, der in tausende kleine Funken explodierte. Die Funken beschrieben einen Bogen und fielen dann herunter, doch sie verschwanden beinahe unmittelbar, sodass ich um mich herum nichts davon spürte.
» Oh mein Gott«, wisperte ich ehrfürchtig. » Das war Wahnsinn. Das war ihre Kraft, ihre Magie?«
Carmela nickte ernst und deutete dann hinunter auf die Orchidee.
Ich sog den Atem ein und wich instinktiv zurück.
Die Orchidee war … nicht tot, nein. Sie war noch am Leben, stand mit herunterhängenden Blättern in ihrem Topf, doch mich überkam das schreckliche Gefühl, dass sie etwas Obszönes an sich hatte, etwas Groteskes, Perverses. Ich zwinkerte ein paarmal, während ich versuchte, herauszufinden, was ich da sah.
Ich sah … eine Orchidee in einem Blumentopf. Ihre Farben waren sichtbar verblasst, stumpfer geworden. Doch da war noch etwas anderes, etwas, das mich mit Abscheu erfüllte, sich furchtbar und zutiefst erschreckend anfühlte, so als sei ich in einem Wald über eine verwesende Leiche gestolpert.
» Was … was stimmt nicht mit ihr?«, stieß ich hervor.
» Wir haben ihr ihre Magie gestohlen. So wie du es mit deinem Hexer tun willst.«
» Sie ist nicht tot?«
» Nein. Sie wird nicht lange leben, aber sie ist nicht tot.«
» Warum fühlt es sich dann so schlimm an?« Ich konnte kaum sprechen; meine Augen waren auf die Pflanze geheftet.
» Weil sie keine Magie mehr in sich hat.«
Verwirrt sah ich in ihre dunklen Augen.
» Magie ist das, was das Leben lebenswert macht«, erklärte sie sachlich. » Und sie hier hat keine Magie mehr.«
Noch immer starrte ich die Pflanze an, wie sie vor mir stand und eine so abstoßende Wirkung auf mich hatte, schlimmer als der Tod.
» Und das wird auch mit Daedalus geschehen? Dem Hexer?«
Carmelas Augen blitzten auf. Sie schien mir direkt durch die Pupillen in die Seele zu schauen. » Ja.«
Ich schluckte und hatte das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen. » Gut«, flüsterte ich.
Kapitel 17
Clio
» Was?!« Nan sah vollkommen schockiert aus. Hitzeflecken erschienen auf ihren Wangen.
Ich kratzte die Essensreste von meinem Teller in den Müll und griff nach Thais’ Teller. Keine von uns hatte viel zu Abend gegessen, doch ich hatte nicht den Eindruck, mich übergeben zu müssen. Der Zauber und die Kräuter, die Daedalus mir mitgegeben hatte, hatten sehr geholfen. Ich verhielt mich relativ normal. Im Gegensatz zu Thais, die nach einer anstrengenden Schuh-Shopping-Tour den ganzen Nachmittag geschlafen hatte.
» Hier.« Thais stellte unsere drei Gläser auf die Arbeitsplatte und nahm ein Geschirrtuch, um den Tisch trocken zu reiben. Seit gestern benahm sie sich eigenartig – kalt irgendwie, sie sah mich weder an noch sprach sie mit mir. Da sie unmöglich über mich und
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