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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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hervorgehen kann und bei dem es immer wieder hin und her geht. Auf der Festplatte von Changs Laptop finden sich jahrelange Diskussionen mit einigen der aufregendsten kreativen Köche der Gastronomieszene (ich habe Ausschnitte davon gesehen). Da mischen nicht nur Changs Angestellte mit. Irgendwo durch den Äther schwirren wirklich verdammt tiefschürfende Gedanken über das Kochen. Meiner Meinung nach sollte das Culinary Institute of America unbedingt ein Angebot dafür machen - fürs Archiv.

    Der Service im Ko ist für ein Restaurant mit zwei Michelin-Sternen sehr unkompliziert. Es gibt keine Kellner. Die Köche bereiten die Gerichte zu, beschreiben dem Gast, was er gleich essen wird - in unterschiedlichen Graden lässig guter Laune oder routinierter (und doch charmanter) Gleichgültigkeit -, und stellen dann den Teller auf den Tresen. Es gibt zwar eine Weinkarte, aber es ist ratsam, der Sommelière zu vertrauen, die zu jedem Gang den passenden Wein ausschenkt. Sie weiß es ohnehin besser. Und wenn man nur ein Bier will? Dann gibt es das auch.
    Es gibt keine Tischdecken, Läufer oder Ähnliches. Die musikalische Untermalung zum Sterneessen liefern aller Wahrscheinlichkeit nach The Stooges oder Velvet Underground. Die »offene Küche« sieht eher aus wie die Küche eines Imbisses als die eines Michelin-besternten Restaurants. Und die Köche … sehen aus wie echte Köche. Die Art von Köchen, die früher versteckt wurden, wenn überraschend Besuch in der Küche auftauchte. Schmuddelig, tätowiert und mit den gleichen weißen Druckknopfhemden, die auch in einem griechischen Imbiss hinterm Tresen getragen werden.
    Nach vielen Versuchen hatte ich endlich das Glück, einen Platz im Ko zu ergattern.
    Als Vorspeise gab es einen kleinen Teller mit Auster, Kaviar und Seeigel, drei Zutaten, die füreinander wie geschaffen sind. Gefolgt von geschmorten Auberginen, Perlen aus klarer Tomatenessenz und einem Auberginenchip; eine Kombination, von der ich in meinem bisherigen Leben nicht unbedingt geträumt hatte (tatsächlich hatte ich gedacht, ich könnte gut ohne Auberginen leben). Dabei war der Geschmack
intensiv und wunderbar aromatisch - die Art freudiger Überraschung, mit der ich bei Gemüse selten rechne. Dann gab es Tofu und Entenherz in hausgemachter XO-Sauce, ein Gericht, das erwartungsgemäß eher meinen geschmacklichen Vorlieben entsprach; eine »Chicharrón-Brioche«, eine gnädigerweise kleine Portion, voller Geschmack, aber des Guten einfach zu viel (und irgendwie böse - aber auf eine gute Art). Ich hasse eigentlich Kammmuscheln (zu üppig und süßlich für mich). Und Ananas ist mir völlig schnurz (auch zu süß). Aber Scheiben von der (vom Taucher geernteten) Kammmuschel mit Ananasessig, luftgetrocknetem Schinken und frischen Wasserkastanien sind etwas ganz anderes. Ich hätte das Gericht eigentlich hassen müssen, aber am Ende hätte ich am liebsten den Teller abgeleckt. Es gab noch einen Gang mit Seeigel, dieses Mal in gekühltem, »verbranntem« Dashi mit Erbsenranken und Melone, was schlicht genial war. Dann kam ein leicht geräuchertes Hühnerei mit Chips von der Fingerlingkartoffel, Sauce Soubise und Süßkartoffelessig - ein Geschmack, den man nur mit viel Glück entdeckt, wenn man spät abends mit Ferran Adrià kifft und plötzlich Heißhunger bekommt. Maisnudeln mit Chorizo, süßsauer eingelegter Tomate, getrockneten Chilis, Sauerrahm und Limette. Im Kapernsud marinierte Forelle mit Kartoffelrisotto, Dill, glasierten Radieschen und Babymangold muss das Ergebnis eines sehr langen und wahrscheinlich schmerzhaften Entwicklungsprozesses gewesen sein. Ebenfalls erstaunlich … »Schneeflocken« gefrorener Foie gras mit Litschi, Pinienkernkrokant und Rieslinggelee. Man braucht nur die Augen zu schließen und sich das Gericht vorzustellen, schon leuchtet es einem absolut ein, oder? Als
die Entenleber, die sich leichter als Luft anfühlte, auf meiner Zunge schmolz, war das wie die Antwort auf meine Gebete. Frittierte Shortribs (Wem zur Hölle würde das nicht schmecken?) mit Schalotten, Lavendel und Babylauch verpassten mir mit Bohnenkraut den Gnadenschuss. Dann die Desserts: Pfirsichlimonade und Eis mit Zoo-Butterkeksen, was mir nicht so gut gefiel, vielleicht, weil ich damit keine glücklichen Kindheitserinnerungen verbinde. Grausamerweise erlaubten mir meine Eltern nicht, daheim Limonade zu trinken (was mich immer noch verbittert), und Zoo-Butterkekse waren für mich eine Fehlkonstruktion - die Art von

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