Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Leuten, die mich hassen«, sagt er und redet sich ein bisschen in Rage. »Aber sie müssen auch den Mumm haben, es mir direkt ins Gesicht zu sagen.«
»Man darf nicht so tun, als sei man mein Freund und dann …« Er bricht ab. Es geht um den »Ozersky-Vorfall«. Josh Ozersky war damals Redakteur und Korrespondent der einflussreichen Gastro-Website Grub Street des Stadtmagazins New York. Der Grund für seinen Konflikt mit Chang, so heißt es, liegt darin, dass er ein Menü des Momofuku veröffentlichte - obwohl Chang es noch nicht freigegeben hatte. Chang beharrt darauf, dass Ozersky ihm versichert habe, das Menü noch zurückzuhalten.
Ozersky hatte zwar seinen Knüller, erhielt dafür aber ein lebenslanges Lokalverbot in allen Restaurants von Chang. Und wenn ich »lebenslang« schreibe, ist das kein Scherz. Ich bin überzeugt, dass eher Büffel auf dem Times Square grasen - und rosa Makronen vom Himmel regnen, als dass Josh Ozersky je wieder einen Fuß in ein Momofuku-Restaurant setzen kann.
»Ich hasse Antoinette Bruno«, sagt Chang. Wegen einer Kränkung zu Beginn seiner Laufbahn, als es mit dem Momofuku gerade erst so richtig losging. Chang fühlte sich damals besonders verwundbar, daher tut sie auch Jahre später noch weh. Bruno ist die Chefin des Onlinemagazins Star Chefs, das jedes Jahr eine Gastromesse organisiert, einen, wie Chang erklärt, »schwachen Abklatsch der Madrid Fusión«. Nach einer Veranstaltung verkündete Bruno lauthals, wie »überbewertet« dieser David Chang sei. Dummerweise sagte sie das ausgerechnet zu Changs Köchen, was sie natürlich nicht ahnte. »Eine Opportunistin. Eine Heuchlerin. Kein guter Mensch. Eine Speichelleckerin. Ehrlos«, sagt Chang, der immer noch wütend wird, wenn er nur an sie denkt.
»Ich hasse X«, sagt er und meint den Besitzer eines Restaurants, das sich quasi die Rettung der Welt auf die Fahnen geschrieben hat. X ist ein Heiliger, ein Pionier der gewissenhaften, nachhaltigen Nahrungsmittelerzeugung. »Das ist, wie wenn man den Dalai Lama hasst!«, protestiere ich. »Wie kannst du den Mann hassen? Er steht für alles, was du unterstützt!« (Chang interessiert - und engagiert - sich sehr für neue Wege und neue Quellen der nachhaltigen und ökologischen Produktion.)
»Ich hasse den Scheißkerl, du glaubst gar nicht, wie sehr ich ihn hasse.«
»Aber du liebst Alice Waters«, wende ich ein, weil sie viel, viel dogmatischer ist.
»Ja, schon, aber Alice meint es gut. Sie drückt das vielleicht nicht so gut aus, wie sie könnte - aber sie ist eine nette Frau, vielleicht hat sie in den Sechzigern einfach zu viel LSD genommen. Außerdem … ist sie so eine Art Mutterersatz für mich. Als ich krank war, war sie die Erste, die anrief. Noch vor meiner Familie.«
Über X möchte er nicht mehr sagen als: »Er ist seltsam und manipulativ.«
Und dann noch: »Ich hasse Y«, eine überaus beliebte Figur der Haute Cuisine, ein enorm talentierter Küchenchef und Besitzer eines innovativen Restaurants, das sich auf eine »experimentelle« Küche spezialisiert hat.
»Aber … aber du verehrst Ferran Adrià«, sage ich. »Du bist der beste Kumpel von Wylie Dufresne, verdammt« - er kann doch nicht die einen verehren und gleichzeitig den anderen wichtigen Anhänger dieser Küche einfach so abtun. Warum hasst er ihn?
»Wegen seiner Ernsthaftigkeit«, sagt er nur. »In einem Restaurant zu essen sollte Spaß machen.«
Er fährt fort: »Ferran Adrià ist ein Genie; [seine Arbeit ist] … wie Bob Dylan mit E-Gitarre. Den Einfluss, den Ferran ausübt, kann man gar nicht ermessen. Er wird ewig währen.«
Ich begreife allmählich, dass Chang keinen logischen Grund braucht, um jemanden zu hassen. Fast immer ist es etwas sehr Persönliches.
Er hat zwar gesagt, er »hasse« San Francisco - und die Köche San Franciscos, aber das stimmt nicht. Wenn man ihn bittet, Köche zu nennen, die er wirklich bewundert, die seiner Meinung nach wichtige Arbeit leisten, dann nennt er David Kinch, Jeremy Fox und Corey Lee. Über Alice Waters darf man nichts Schlechtes sagen, außerdem verehrt er Thomas Keller und ist mit Chris Cosentino befreundet. Er gibt zu, dass er eben diese »Feigen auf einem Teller« bewundert, von denen er auch schon behauptet hat, er würde sie verachten.
Diese Widersprüche sind ihm bewusst, vielleicht verwirrt es ihn auch, dass er mit sich selbst genauso im Clinch liegt wie mit allen anderen. Einerseits beklagt er die mangelnde Ordnung und Disziplin sowie die
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