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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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um die ehrenwerteste Tätigkeit der Welt.
    Ihren rasiermesserscharfen Witz, ihre Art, eine spitze, nachhaltig verletzende Bemerkung fallen zu lassen, kannten sie offenbar gut, aus St. Tropez, Monaco, Sardinien oder wo sich die Säcke und Semipromis in jenem Jahr eben gerade trafen, und deshalb duckten sie sich, wenn sie kam. Niemand bot ihr Paroli.
    Vielleicht lag es daran, dass sie sich alle gegenseitig nicht ausstehen konnten. (Das schien der Zweck der Übung zu sein.) Wenn man sich in den gefährlichen Einflussbereich dieser Frau begab, so merkte ich bald, wurde man automatisch Teil eines globalen Netzwerks aus italienischen Kunstsammlern, gruseligen russischen Oligarchen, dauergeilen
Internetmilliardären, runzligen Exfrauen indonesischer Despoten, angeblichen Prinzen aus längst versunkenen Königreichen, Mätressen afrikanischer Diktatoren, millionenschweren ehemaligen Huren und der Sorte Mensch, die sich gern mit solchen Leuten abgibt oder sogar von ihnen lebt. Jede dieser Figuren schien über die Weihnachtsfeiertage nach St. Barths gekommen zu sein, um neue Wege zu erkunden, den anderen einen reinzuwürgen. Mit einem Lächeln auf den Lippen, versteht sich.
    Wir feierten ein nicht besonders romantisches Silvester auf einer Party, die von den Gaddafis gegeben wurde. Das sagt schon einiges. Enrique Iglesias sorgte für die Unterhaltung, ein Detail, das mir im Gedächtnis haftet wie das Muttermal auf der Wange eines Folterknechts.
    Wer hat die größere Jacht, wer trägt die schickeren Kleider, wer hat den besten Tisch - das war alles, was zählte. Jahrzehntealte Fehden gingen auf bissige Bemerkungen zurück, die bis auf die Protagonisten alle vergessen hatten. Noch immer schlichen sie umeinander herum, warteten, dass der andere eine Schwäche zeigte, eruierten, wo und wie sie zuschlagen konnten. Alle brachten sich in Position, um sich gegenseitig wegen unvorstellbar nichtiger Scheiße an die Gurgel zu gehen. Und das waren die Leute, so dämmerte mir langsam, die die Welt beherrschten.
    Ich hielt mich an das Büfett auf der Jacht, die eines Dr. No würdig war und den passenden bondschen Namen Octopus trug: eine riesige Andockstation im Rumpf, ein Sechs-Mann-U-Boot, ein Landeplatz für zwei Hubschrauber, Francis-Bacon-Originale im Scheißhaus. Ich blickte von meinem Sushi auf und dachte für mich, dass keiner hier -
keiner der Gäste, die tanzten, plauderten, höflich Small Talk betrieben - auch nur mit der Wimper zucken würde, wenn mir jetzt jemand die Kehle durchschnitt.
    Als sie dann ihren Geldbeutel zum dritten und letzten Mal verlor, wäre ich bereit gewesen, ein Loch in den Sand zu buddeln und sie darin zu versenken - hätte ich auch nur eine Sekunde lang angenommen, dass ich damit durchgekommen wäre. Aber sie telefonierte ja täglich mit »Mom«. Doch bei dem Gedanken, sie einfach sitzen zu lassen, sie geldbeutellos, mittellos, verkokst und völlig gaga ihrer gerechten Strafe zu überführen, gestrandet in einem Hotelzimmer, aus dem man sie jeden Moment hinauswerfen konnte, war mir auch nicht wohl.
    Was mir zudem wirklich Sorge bereitete: Sollte ich etwas so Maß- und Sinnvolles tun, wie sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen, könnte mein Karibikaufenthalt mit dem Auftauchen zweier stiernackiger Tschetschenen mit Plastikplane und Bügelsäge enden.
    Ich war der falsche Mann am falschen Ort, begleitet von der falschen Partnerin und umgeben von weiteren, möglicherweise noch falscheren Menschen.
    Die Franzosen, die mit diesem Inselspielplatz des Bösen ihre Geschäfte machten und seinen Besuchern zu Diensten waren, kannten ihre Kunden gut. Sie hatten sich völlig auf sie eingestellt, waren ihnen gefällig, neppten und verarschten sie, legten sie aufs Kreuz, auf althergebrachte Weise, aber auch mit neuen Methoden. Man saß mit einem Burger an der Strandbar, da begann plötzlich die Musik zu hämmern, und schon tauchten Models auf und präsentierten Bademode oder Schmuck, die es natürlich zu kaufen gab.
Hier wurde für den Tisch bezahlt und nicht für das, was draufstand. Es sei denn natürlich, man hatte es mit jemandem zu tun wie mit meiner Begleiterin, die völlig verwirrt auf die Andeutung reagierte, dass man überhaupt etwas zahlen solle, geschweige denn sie . Männer um die fünfzig mit Bierbauch, der über die knappe Badehose schwappte, tanzten mit silikonbusigen ukrainischen Huren - beim Brunch. Geschniegelte Hündchen mit Diamanthalsbändern kläfften und schnappten nach unseren Waden. Die Ober

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