Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
Vom Netzwerk:
Begleiterin erblickten, eilig ein Zimmer für uns fertig machten. Ein sehr teures Zimmer.
    Im College hatte ich schon mit reichen Leuten zu tun gehabt, seither aber völlig vergessen, dass die Reichen alter
Schule - der alte Geldadel -, dass diese Wichser nie zahlen müssen. Sie haben kein Bargeld bei sich, und auch die Kreditkarten sind offenbar immer … gerade woanders, so, als seien kleine Summen nicht der Beachtung oder Rede wert. Zahl du das mal. Und ich zahlte. Tage und Nächte der Saufgelage mit überteuerten Drinks, Schmiergeld für die Barkeeper, damit sie uns nach Dienstschluss in ihrem Privatauto jeweils an den Ort kutschierten, wo sie gern die Nacht verbringen wollte. Abgewrackte Motelzimmer, jede Nacht ein anderes, die jeweils so viel kosteten wie eine Suite im New Yorker St. Regis. Noch mehr Drinks.
    Inzwischen war ich ihren immer heftigeren und beängstigenderen Stimmungsschwankungen und ihrem ganz allgemein bösartigen Irrsinn hilflos ausgeliefert. Von einer Sekunde auf die andere war sie mal geistreich und liebevoll, mal spuckte sie Gift und Galle wie eine Psychopathin. In der einen Minute nippten wir an einem herrlichen Strand einen überteuerten Mojito, und in der nächsten ging sie auf den Geschäftsführer los und beschuldigte den Hilfskellner - oder jeden anderen, der gerade in Schussweite war - des Handydiebstahls. Tatsache ist, dass sie ständig ihr Handy verlegte, ihren Geldbeutel, einfach alles von Wert, das sie bei sich hatte. Sie ließ sich volllaufen, musste plötzlich unbedingt tanzen, machte sich auf die Suche nach Koks, begrüßte einen alten Freund und verlor ihren Kram aus den Augen. Sie konnte sich nicht merken, wo sie ihre Sachen hingelegt hatte - sofern sie sie überhaupt dabeigehabt hatte.
    Ich bin nicht gut auf Menschen zu sprechen, die Dienstpersonal beleidigen. Ich finde das genau genommen unerträglich. In meinen Augen ist es eine unverzeihliche Sünde,
die eigenen Probleme oder irgendwelchen Ärger am Ober oder am Hilfskellner auszulassen. Als ich das zum ersten Mal erlebte, war unsere Beziehung im Grunde vorbei. Sie warf mir vor, die Bedienungen seien mir wichtiger als sie, und genau so war es. Von da an agierte ich als Babysitter einer Verrückten. Ich fühlte mich verpflichtet, ihren psychotischen Hintern in ein Flugzeug zu bringen und möglichst schnell und ohne größere Schäden nach England zu schicken. Ich hatte sie hergebracht, hatte das alles zugelassen, und nun meinte ich sie wenigstens in einem Stück nach Hause bringen zu müssen. Aber das war einfacher gesagt als getan.
    Man hatte Angst vor ihr. Das fiel mir schon früh auf.
    Sie hatte schon in England etwas von einem Exfreund erzählt, der ihr angeblich »nachgestellt« hatte. Ihre Mom habe »Freunde« bitten müssen, mit dem Betreffenden »zu reden«. Danach habe es keine Probleme mehr gegeben. Irgendwie hatte ich sogar dieses leuchtend rot blinkende Warnlicht übersehen, wie auch all die anderen. Jetzt wollte ich sie nur noch in ein Flugzeug nach London setzen, aber es war, als redete ich mit einem wilden Tier. Sie wollte nicht. Weigerte sich.
    Mitten in der Nacht stellte sie den Fernseher laut, zappte manisch zwischen den Nachrichtensendern hin und her und regte sich maßlos über die Ölpreise auf. Seltsam, aber die Nachbarn oder die Motelleitung wagten es nie, sich zu beschweren. Nacht für Nacht schlief ich ein, ohne zu wissen, wo wir als Nächstes schlafen würden oder ob ich am nächsten Morgen in einem mit Blut unbestimmter Herkunft durchtränkten Bett aufwachen würde. Ich wagte es morgens
nicht, die Augen zu öffnen - aus Angst, das Mädchen könnte sich die Pulsadern oder mir die Kehle durchgeschnitten haben. Ich versuchte - versuchte es wirklich -, mit ihr umzugehen wie mit einer Wahnsinnigen, fürsorglich wie ein echter Gentleman, bis endlich die Klapsmühle in Sichtweite ist. Doch immer wieder zwang sie andere, uns zu helfen, völlig Fremde oder weitläufige Bekannte, denen es nichts auszumachen schien, eine verrückte Erbin durch die Gegend zu kutschieren und ihr Kokain zu beschaffen. Sie platzte unangemeldet in Partys, drängelte sich an der Kasse vor, kokste nach Belieben und zog gutmütige Helfer und reptilienhafte Gastgeber geradezu magisch an.
    »Was arbeitet sie?«, fragte ein Bewunderer einen anderen, als meine Zimmergenossin wie eine Gazelle über die Tanzfläche zu den Toiletten hüpfte, zweifellos, um sich das Näschen zu füllen.
    »Nichts«, lautete die Antwort. Als handle es sich

Weitere Kostenlose Bücher