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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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Burrata thronte, besprenkelt mit einem hochklassigen Olivenöl. Das einfachste, ordinärste Gericht, das man sich vorstellen kann, vor allem für meine Frau, die erst vor wenigen Jahren aus Italien nach Amerika kam. Dieser Gang entsprach so gar nicht meinen Erwartungen an die Laundry oder das Per Se und wirkte daher so »exotisch« wie nur irgend möglich. Er war außerdem der beste und erfreulichste Gang des ganzen Menüs. Ein Weckruf und Gegengift zu den vorherigen Gerichten.
    Dann kamen die Desserts, und zwar viele. Und zum ersten Mal hatte ich noch genügend Platz im Magen, um zumindest ein bisschen von jedem zu probieren. Man sollte vielleicht einmal festhalten, dass der Pâtissier in Restaurants
mit Degustationsmenüs immer in die Röhre guckt, da die Gäste normalerweise schon übersättigt sind, bevor die Pâtisserie die Gelegenheit hat zu glänzen.
    Wie soll ich diesen Restaurantbesuch nun interpretieren? Das frage ich mich immer noch, auch am Tag danach versuche ich, mir über meine Gefühle klar zu werden. Ich gehe das Menü noch einmal im Kopf durch, um herauszufinden, wie viele meiner Reaktionen darauf zurückzuführen sind, dass ich ein abgestumpfter, übersättigter, widerborstiger Miesling bin. Was an meiner Kritik ist »legitim« oder »sinnvoll«?
    Vielleicht sollte ich Thomas Keller ähnlich beurteilen wie Orson Welles. Es ist egal, was derzeit passiert - oder was er macht oder was ich von seinen späteren Projekten halte. Mein Gott, der Mann hat Citizen Kane gedreht! Er ist cool, und zwar auf ewig. Man kann ihn nicht entthronen. Er ist der Größte. Für immer. Wie Muhammad Ali. Warum so kleinlich sein?
    Tatsächlich liebe ich Kellers zwangloseres Restaurantkonzept, das Bouchon. Mir gefällt auch, dass er expandiert hat - dass er sich erfolgreich weiterentwickelt hat, die Zügel bei seinen Restaurants etwas lockerer lässt. Ich glaube, das tut der Welt und hoffentlich auch ihm persönlich gut.
    Wenn ich an den gestrigen Abend denke, fallen mir immer wieder die Mortadella, die Coppa und dieser wunderbare Kick ein, den der Teller mit Tomaten und Käse bot - das war ein verdammt guter Käse, und auch die Tomaten waren richtig aromatisch.
    Wie es bei allen Besuchen in einem großartigen Restaurant sein sollte und wie ich es bei meinem ersten Besuch in
der French Laundry erlebte, hatte ich - leider nur kurz - das Gefühl, als würde jemand zu mir sprechen, mir etwas von sich und seinem Leben erzählen, von den Sachen, die er liebt und an die er sich erinnert.
    Vielleicht war es Jonathan Benno, der absichtlich oder unabsichtlich sagte:
    »Das werde ich als Nächstes machen. Wenn ich hier weg bin.« (Kurz nach unserem Besuch verkündete Benno tatsächlich, dass er sein eigenes Restaurant eröffnen wird, orientiert an der gehobenen italienischen Küche.)
    Vielleicht bin ich aber auch nur zu dumm oder zu begriffsstutzig, um zu verstehen, was da läuft.
    Vermittelte das Essen eine Botschaft? Eine Ankündigung der Apokalypse? Hatte es irgendeine Bedeutung? Oder nicht? Ich weiß es nicht.
    Aber ich weiß, dass ich für das Essen nichts bezahlen musste. Ich fühle mich wie eine Schlange, die Keller an seinem Busen genährt hat.
    Wenn mir das Essen im Per Se nicht gefallen hat, wenn ich nicht »verstehe«, was Grant Achatz macht, hat das überhaupt etwas zu bedeuten?
    Was mich zu David Chang führt. Der erst kürzlich in der Szene aufgetaucht ist und einen spektakulären Aufstieg hingelegt hat. Da bin ich mir verdammt sicher, dass das einiges zu bedeuten hat.

Die Furie
    Baue deshalb deine eigne Welt.
    Ralph Waldo Emerson
     
     
     
    A ufs Kochen kam ich, weil das was Ehrliches hat«, sagt David Chang.
    In der Küche gibt es keine Lügen. Und auch keinen Gott. Er könnte einem sowieso nicht helfen. Entweder kann man ein Omelett zubereiten oder nicht. Entweder kann man eine Zwiebel schneiden, Gebratenes in der Pfanne wenden, mit den anderen Köchen mithalten, die bestellten Gerichte wieder und wieder perfekt zubereiten oder nicht. Kein Empfehlungsschreiben, kein Ausweichmanöver, keine noch so wohlformulierten Sätze und kein noch so jämmerliches Flehen um Gnade können über die grundlegenden Fakten hinwegtäuschen. Die Küche ist die letzte Meritokratie - eine Welt des Absoluten; am Ende jedes Tages weiß man unmissverständlich, was man geleistet hat. »Gut« und »Böse« werden leicht und sofort als das erkannt, was sie sind. Gut ist ein Koch, der pünktlich kommt und das tut, was er gestern behauptet

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