Ein bisschen Kowalski gibt es nicht (German Edition)
einer dunklen Ecke ihres Kleiderschranks bewahrte sie ein in Plastik gehülltes Kostüm auf. Sie holte es heraus, legte es aufs Bett und entfernte die Folie. Es war zwar schon etwas älter, aber das würde nur jemandem wie ihrer Mutter auffallen. Der Schnitt war klassisch, die Farbe ein gedecktes Marineblau. Die passenden Pumps befanden sich in einer Schachtel unten im Schrank.
Der typische Designer-Albtraum. Zum hundertsten Mal erinnerte Paulie sich daran, dass sie sich nicht mit Sam treffen musste . Sie konnte ihren Freunden aus dem Jasper’s auch einfach beichten, dass sie eine Atherton war und dem alten Geldadel von Boston entstammte. Deshalb verlor sie weder ihren Job noch ihre Wohnung.
Aber ihr Verhältnis zu den anderen würde sich ändern. Alle würden sich fragen, warum jemand wie sie als Kellnerin arbeitete. Und ihre Kolleginnen würden ihr keinen Cent Trinkgeld mehr gönnen, weil sie Millionen in einem Trustfund besaß. Sogar die Gäste würden sie anders behandeln. Männer kamen nicht mit reichen Frauen klar.
Nein, es war besser, jetzt nachzugeben und sich von Sam erpressen zu lassen, damit er ihr Geheimnis für sich behielt – und hinterher mit zu ihr kam.
Um niemandem im Jasper’s über den Weg zu laufen, ging sie durch die Hintertür hinaus und dann zur Vorderseite des Hauses. Dass dort eine Limousine mit Chauffeur wartete, der ihr die Tür aufhielt, überraschte sie nicht. Paulie stieg hastig ein, damit niemand aus der Bar sie entdeckte.
Drinnen wartete Sam bereits auf sie.
„Hallo, meine Schöne“, begrüßte er sie.
„Hallo, arroganter Sack.“ Paulie wollte es ihm so schwer wie möglich machen. „Ich habe fest vor, das teuerste Gericht von der Karte zu bestellen, nur damit du Bescheid weißt.“
„Beruhigend, dass sich manche Dinge doch nie ändern.“
„Komiker.“ Der Wagen fuhr um eine Kurve, und Paulie stützte sich ab, damit sie nicht gegen Sam fiel.
„Du siehst wirklich toll aus“, erklärte Sam nach kurzem Schweigen.
„Das heißt wohl, dass ich deine diesbezüglichen Erwartungen erfülle.“
„Willst du den Rest des Abends so verbringen?“
„Wie denn?“
„Schlecht gelaunt und auf Krawall gebürstet.“
„Vermutlich schon. Kein Wunder, wenn man mich gegen meinen Willen zu etwas zwingt.“
Sam warf den Kopf zurück und lachte schallend. Weil sie ihm am liebsten einen Tiefschlag versetzt hätte, faltete Paulie schnell die Hände im Schoß.
„Wir wissen beide, dass du aus freien Stücken hier bist, da könnte ich dir drohen, wie ich will.“
„Aber gedroht hast du mir trotzdem.“
Paulie rechnete schon mit der nächsten Spitze, doch stattdessen strich Sam ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. „Ich habe dich in der Bar bei der Arbeit beobachtet. Du scheinst glücklich hier zu sein.“
Das stimmte auch … meistens jedenfalls. Trotzdem hatte sie natürlich manchmal wach gelegen und sich gefragt, was gewesen wäre, wenn. Wenn sie nicht aus der Kirche geflüchtet wäre. Wenn sie versprochen hätte, Sam zu lieben und zu ehren, bis dass der Tode sie scheide. Dann wären sie jetzt seit fünf Jahren verheiratet und zweifellos die Eltern des nächsten Logan-Erben.
Und sie würde jetzt Perlenkette tragen, sich um die Organisation des Haushalts und den Dienstplan der Kindermädchen kümmern. Den Trustfund für ihren Sohn einrichten und Wohltätigkeitsbälle besuchen.
Bei dem Gedanken schüttelte Paulie verächtlich den Kopf und rückte etwas von Sam ab. Es war so ungerecht, dass der Mann ihrer Träume ihr nur ein Leben bieten konnte, das genau wie ihr schlimmster Albtraum aussah.
„Und bist du wirklich glücklich?“, wollte er wissen.
„Ich war’s.“
„Vergangenheitsform?“
Ja, zumindest hatte sie das geglaubt. Bis der einzige Mann, dem sie je gesagt hatte, dass sie ihn liebte, ins Jasper’s gestolpert war. „Erpressung kann einem ganz schön die Stimmung verderben, Sam.“
Das Restaurant war teuer und edel – eine Umgebung, die Paulie normalerweise mied wie die Pest –, aber sie musste immerhin zugeben, dass der Wein erstklassig war. Außerdem hatte Sam bisher das Piepen seines superteuren Smartphones ignoriert und stattdessen ihr seine volle Aufmerksamkeit geschenkt.
„Du hast mich noch gar nicht nach deinen Eltern gefragt“,bemerkte er, nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten.
Paulies romantische Stimmung verflog sofort. „Ich google sie ab und zu.“
„Du hast sie nicht mal angerufen?“
„Nein.“ Falls er heute noch in ihr Bett
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