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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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asozial. Und dann begann er, mich anzusehen, als ob ich vielleicht auch jemand wäre, den er lieber nicht kennen würde …“
    Ihre Stimme brach ab. In ihren Augen schimmerten ungeweinte Tränen. „Als ich ihm zum ersten Mal von ihr erzählte, dachte er wahrscheinlich, dass wir das einfach unter den Teppich kehren könnten. Er interessierte sich nur für die Oberfläche: Grace Noonan, Tochter eines pensionierten Professors und einer Musiklehrerin. Tiefer wollte er nicht graben. Er wollt
mich
nicht kennen lernen. Aber ich musste einfach mehr wissen.“
    „Hast du also Kontakt mit ihr aufgenommen?“
    Ich sah lähmende Furcht in ihren Augen. „Nein. Ich meine, ich konnte es einfach nicht … nach all dem. Was, wenn er Recht hatte, Angie? Wenn sie jemand ist, den ich lieber gar nicht kennen lernen möchte? Oder was ist, wenn sie mich gar nicht kennen lernen möchte?“
    Und dann brach sie zusammen, Tränen liefen in Strömen über ihr Gesicht, und das war in Graces Fall schon ziemlich ungewöhnlich. So hatte ich sie noch nie zuvor weinen sehen. Es machte mir Angst. Und erfüllte mich mit Trauer. Am liebsten hätte ich selbst geweint. Ich wünschte mir, dass ich von ihren Schmerzen gewusst hätte. Dass ich irgendetwas hätte tun können.
    Aber jetzt konnte ich etwas tun. Ich nahm sie in den Arm und hielt sie so lange fest, bis sie keine Tränen mehr hatte. Ich weiß nicht, wie lange wir so dasaßen, aber als sie schließlich hochblickte, lächelte sie. „Wir sind schon ein tolles Paar. Ich schätze, wir brauchen eine ganze Dose Creme von Roxanne Dubrow, um die geschwollenen Augen wieder hinzubekommen.“
    Ich lächelte zurück. „Was für ein Glück, dass du ziemlich sicher eine solche Dose in deinem Badezimmerschränkchen hast.“
    „Allerdings.“ Sie seufzte, musterte ihr schönes Apartment, als ob nichts in diesem Raum sie jemals wieder fröhlich stimmen könnte.
    „Gracie, ich weiß, dass du das jetzt nicht hören willst. Aber ich finde, du musst einfach Kontakt mit deiner Mutter aufnehmen. Du musst es einfach
wissen
!“ Ich hob warnend die Hand, als sie mich unterbrechen wollte. „Hör mir zu. Nur so wirst du diesen Schmerz jemals überwinden können. Nur so wird die Wunde jemals heilen.“
    Sie blickte auf ihre im Schoß gefalteten Hände. „Ich denke darüber nach, okay? Aber mehr kann ich nicht versprechen.“
    „Mehr will ich auch gar nicht. Zunächst.“ Ich lächelte sie wieder an. „Nun, das und noch einen Cocktail. Wo versteckst du den Bacardi O? Ich glaube, wir könnten beide noch einen Drink brauchen.“
    Also schlürften wir unsere Cocktails und sprachen bis tief in die Nacht, so wie früher, als wir noch Teenager waren – damals allerdings ohne Bacardi O. Ich brachte Grace sogar dazu, mir von ihren Eskapaden mit Bad Billy zu erzählen, der wie erwartet wieder aus ihrem Leben verschwunden war.
    „Das ist das Gute an Billy. Bei ihm weiß ich von vornherein, dass ich nicht auf ihn zählen kann“, sagte sie und lächelte matt, während wir auf ihrem Sofa ein Bett für mich richteten.
    „Auf mich kannst du immer zählen, Gracie. Das weißt du, oder?“
    „Ich weiß, ich weiß.“ Sie strich das Bettlaken glatt und sah mich an. „Beste Freundinnen, stimmt’s?“
    „Stimmt.“
    In den folgenden Tagen war ich für Grace da. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hatte mich auf ihrem Sofa eingerichtet, und wir durchredeten die Nächte, so wie früher. Gingen zusammen einkaufen. Ja, einkaufen. Was denn? Ein Mädchen muss gelegentlich shoppen, um das alles durchzustehen, oder nicht? Wir verbrachten sogar einen Tag in einem Schönheitssalon. Nun, ich gönnte mir nur eine Gesichtsbehandlung – aber Grace nahm das ganze Paket. Ich glaube, diese extreme Nähe mit mir machte ihr Schwierigkeiten. Sie war so ungeheuer unabhängig, dass es ihr nicht leicht fiel, jemanden um sich zu haben, der sie täglich auf ihr innerstes Seelenleben ansprach.
    Doch ich ließ nicht locker. Ich wusste, dass sie jemanden brauchte. Vielleicht sogar jemand anderen als mich. „Grace, vielleicht solltest du mal deine Eltern besuchen“, sagte ich eines Nachts. Grace hatte mal wieder meine Andeutungen, dass sie aus ihrem emotionalen Tief herauskommen müsse, beiseite gefegt. Ihre Adoptiveltern hatten Grace immer in allem unterstützt. Sie liebten sie, und vielleicht musste sie einfach mal wieder in ihrer Nähe sein, um daran erinnert zu werden.
    „Meine Eltern wohnen nicht mehr in der Nähe. Sie sind nach New Mexico gezogen,

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