Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
eines Nachts, als wir unter seiner Bettdecke kuschelten. Das war ein Meilenstein – zumindest in meiner Vorstellung. Bisher waren wir nur mal spontan übers Wochenende weggefahren, wenn Kirk gerade mal nicht so viel zu tun hatte – in die Weinberge im Norden von Long Island oder in die Berge im Hinterland New Yorks.
Diese neue Entwicklung konnte ich nicht einzig und allein meinen
Calvin Kleins
in seinem Kleiderschrank zuschreiben. Oder der Tatsache, dass er mir sogar eine Schublade in seiner Kommode frei geräumt hatte (sehr bedeutungsvoll, weil es die einzige Kommode in seiner Wohnung war). Es schien so, als hätte er endlich begriffen, dass ich in seinem Leben wirklich eine Rolle spielte.
Meine Mutter hatte es jedoch nicht begriffen.
„Du bringst
ihn
mit?“ fragte sie, nachdem sie mich so lange unter Druck gesetzt hatte, bis ich bereit war, Sonntag zum Essen nach Brooklyn zu kommen. Ein Besuch war längst überfällig – ich befürchtete aber, dass meine ziemlich dominante Mutter meiner Beziehung in der heiklen Phase des Deckellösens Schaden zufügen könnte.
„Natürlich“, antwortete ich. Jetzt erst bemerkte ich, dass in der Zeit, in der unsere Beziehung ein höheres Niveau erreicht hatte, Kirks Beziehung zu meiner Familie auf einem einmaligen Tiefpunkt angekommen war.
„Hm“, war alles, was sie dazu zu sagen hatte. „Nun, inzwischen wäre es mir sogar egal, wenn du Jack the Ripper mitbringen würdest. Weißt du eigentlich, dass es schon über einen Monat her ist, seit du einen Fuß nach Brooklyn gesetzt hast? Ich werde auch nicht jünger, Angela. Genauso wenig wie deine Großmutter. So wie sie allerdings mit diesem Artie Matarrazzo herumspringt, könnte man glauben, sie wäre gerade mal sechzehn.“
„Läuft das noch immer?“ fragte ich ungläubig.
„Ob das noch läuft? Er kommt inzwischen drei- bis viermal die Woche bei uns vorbei. Geht mit ihr in den Park und einkaufen. Gestern kam ich nach Hause und sah, dass er ihr Haar frisierte. Und sie sitzt da mit ihrer vom Haarewaschen oder was weiß ich was feuchten Bluse, die so durchsichtig ist, dass man … einfach alles sehen kann.“
O mein Gott. Offenbar war es Nonnie ziemlich … ernst.
„Und ich stehe da wie eine Idiotin und habe das Gefühl, zu stören. Ich! Stell dir das vor. Und das letzte Mal habe
ich
ihr die Haare frisiert …“
Nun waren wir also beim Kern des Problems angekommen. Meine Mutter hatte das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden.
„Ma, jetzt, wo Nonnie mit … anderem beschäftigt ist, solltest du dir eine Aufgabe suchen. Vielleicht ein Hobby …“
„Ein Hobby? Wofür brauche ich ein Hobby? Ich habe doch die Tomatensträucher deines Vaters.“
Und genau das war das Problem. Es waren die Tomatensträucher meines Vaters. Ma hatte nie etwas Eigenes, und jetzt, wo mein Vater tot war, verbrachte sie den Rest ihres Lebens damit, zu erhalten, was er zurückgelassen hatte.
„Ma, ich spreche von etwas für
dich
.“
„Ich habe meine Familie“, antwortete sie nur. „Was brauche ich sonst?“
Offensichtlich nichts, dachte ich, als ich am Sonntag mit Kirk im Schlepptau nach Hause kam. Ich hätte mir schon Sorgen machen sollen, als ich sah, wie meine Mutter die Augen bei Kirks Begrüßung zusammenkniff. Hätte bemerken müssen, dass sie sein Fehlen beim letzten Mal – und vor allem den Grund dafür – als eine Art Betrug auf meine Kosten verstanden hatte. Doch ich konnte ihr nicht erklären, dass wir beziehungstechnisch sehr viel weiter gekommen waren. Dass ich inzwischen praktisch bei Kirk wohnte, würde meine Mutter nicht als Schritt nach vorne sondern als eine Art Todsünde betrachten.
Allerdings brauchte ich nicht länger darüber nachzudenken, weil sofort wieder Vanessa und Sonny im Mittelpunkt standen. Vanessa strahlte, während Sonny wieder und wieder beschrieb, was es für ein Gefühl war, wenn das Baby gegen den Bauch trat.
„Das wird mal ein echter Kämpfer, unser kleiner Kerl.“
Ich beobachtete mürrisch, wie Joey, Miranda, Tracy, Timmy und sogar Kirk nacheinander Vanessas runden Bauch anfassten. Ich fühlte ein Schaudern, das sich entschieden nach Angst anfühlte, als ich sah, wie Kirk mit der ganzen Handfläche über ihre weiche Wölbung strich, er lächelte wie ein kleiner Junge, als das Baby offenbar mit einem festen Tritt antwortete.
Igitt. Ich wollte diesen Bauch nicht mal berühren. Ich konnte an nichts anderes denken, als an die Schmerzen, die man erdulden musste, um so ein Baby zur Welt
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