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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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und sah sofort, dass auch dieser Reißverschluss es nie bis ganz nach oben schaffen würde.
    „Verdammt!“ rief sie, als ich an die unumgängliche Stelle kam.
    „Du hast große Brüste, Grace. Damit musst du leben.“
    Sie seufzte und blickte mich durch den Spiegel an. „Du auch“, sagte sie. „Zumindest in diesem Top.“
    Ich musste es einfach kaufen. Es wäre Wahnsinn, es nicht zu tun.
    „Was zum Teufel soll ich jetzt machen?“ schrie Grace.
    „Was ist denn?“ Ich wunderte mich darüber, wie sehr sie sich aufregte.
    „Ich gehe zu dieser … Dinner Party bei Drews Chef, und ich habe nichts anzuziehen!“
    „Nun hör aber auf, Grace. Hast du in letzter Zeit mal in deinen begehbaren Schrank geschaut? Du hast mehr Klamotten, als wir im Herbstkatalog von
Lee and Laurie
anbieten!“ Und das war ein dicker Katalog – volle 124 Seiten.
    Der Blick, den sie mir zuwarf, schien zu sagen, dass ich doch Ahnung hatte. Und das stimmte auch.
    „Kannst du nicht einfach was von deinen Sachen anziehen? Ich meine, du triffst doch Drews Chef nicht zum ersten Mal.“
    „Aber diesmal ist es anders.“ Sie betrachtete die Kleider mit purer Verzweiflung. „Wir besuchen ihn in seinem neuen Haus in
Westport
, und da kann ich nicht einfach in einem alten Kleid herumstehen, während seine magere kleine Frau Lorraine uns ein perfektes Essen in ihrem perfekten Haus serviert und dauernd von der neuen Wohnzimmereinrichtung erzählt, die sie gekauft haben, und von dem Kinderzimmer, das sie schon mal einrichten. Es ist einfach …“ Sie hielt inne und starrte bestürzt ihr Spiegelbild an. „Ich will einfach gut aussehen, aber ich bin verdammt noch mal in letzter Zeit viel zu fett, um gut auszusehen.“
    Fett?
    „Fett
?“ fragte ich ungläubig. „Grace, vielleicht ist es dir in letzter Zeit nicht aufgefallen, aber du siehst verdammt noch mal wunderschön aus.“
    „Nun, ich fühle mich nicht schön.“ Sie runzelte die Stirn und nahm das letzte Kleid vom Bügel.
    Irgendetwas quälte sie. Und als sie in ihr letztes Kleid schlüpfte und ich bereitstand, um es zu schließen, brach es aus ihr heraus.
    „Weißt du, ich habe es ihm gesagt.“
    „Was hast du wem gesagt?“ Das Kleid quetschte ihre Brüste so platt, dass sie fast unsichtbar wurden – was eine beachtliche Leistung war. Es war eben aus Lycra.
    „Drew. Ich habe es Drew gesagt. Ihm von meiner Mutter erzählt, ich meine, nicht von
meiner
Mutter.“
    Jetzt verstand ich. Grace meinte ihre biologische Mutter, die sie vor zwei Jahren mit Hilfe einer Suchorganisation ausfindig gemacht hatte. Sie wusste jetzt, dass ihre Mutter ganz in der Nähe in Brooklyn wohnte, hatte aber noch keinen Kontakt zu ihr aufgenommen. Ich konnte das verstehen. Ihre Adoptiveltern hatten sie auf der Suche nach ihren Wurzeln immer unterstützt, sie musste also nicht befürchten, ihnen weh zu tun. Aber die Tatsache, dass die Frau, die sie geboren hatte, nicht weit von dem Ort, wo sie selbst aufgewachsen war, lebte, machte ihr zu schaffen. Und zwar so sehr, dass sie bisher nicht den Mut aufgebracht hatte, etwas mit der Adresse anzufangen, die sie in ihrer Geldbörse mit sich herumtrug wie einen Talisman. Oder eine Wunde.
    „Und, was hat er gesagt?“
    „Nichts. Ich meine, nicht viel. Er ist in dieser Beziehung ziemlich verschlossen. Weißt du, Drew sieht alles um sich herum durch eine rosarote Brille. Was ihn betrifft, so ist mein Vater noch immer ein pensionierter Professor und meine Mutter Musiklehrerin.“ Sie lachte, doch ich sah die Furcht in ihren Augen.
    „Drew liebt dich, Grace. Das merkt man daran, wie er dich ansieht. Er wird dich nicht verurteilen, nur weil dein Leben ein wenig anders verlaufen ist.“
    „Das weiß ich.“ Aber sie schien nicht wirklich überzeugt zu sein. Dann betrachtete sie sich im Spiegel und seufzte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass das Kleid ihren Brustumfang um mindestens drei Größen verkleinert hatte, und zwar auf eine außerordentlich unschmeichelhafte Art und Weise.
    „Ich gebe auf.“ Verzweiflung lag in ihrem Blick, als sie ihre deformierte Figur musterte.
    „Grace, du bist schön. Von innen und von außen. Lass dir nichts anderes einreden.“
    „Okay, okay“, sagte sie, offensichtlich verlegen wegen meines plötzlichen Ausbruchs von Zuneigung. „Du auch, meine Liebe“, fuhr sie fort. „Vor allem in diesem Top.“
    Okay, ich musste es haben. An diesem Punkt betrachtete ich den Kauf als eine freundschaftliche Geste. Ich meine, hatten Grace und ich es

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