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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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Projekten, bei denen er mithalf, waren die drei Werbespots und ein paar kleine Songs, die er mir in unserer Wohnung vorspielte, das einzig Kreative, was ich von ihm je erlebt hatte. Ich fragte mich, was ihn davon abhielt, seinen Traum zu verwirklichen. Vor allem an diesem Abend. Denn ich hatte das Gefühl, dass zumindest ich meinen bald verwirklichen würde.
    Doch dieses angenehme Gefühl verschwand in der Sekunde, als ich nach Hause kam und auf dem Display meines Anrufbeantworters eine dicke, fette Null blinkte. Kirk hatte nicht einmal angerufen, um Gute Nacht zu sagen, geschweige denn, um mir für morgen Glück zu wünschen. Wahrscheinlich würde er so lange vor seinem Computer sitzen, bis er einen Krampf in den Händen bekam und seine Augen brannten. Immer, wenn er um einen wichtigen neuen Kunden kämpfte, benahm er sich wie ein Verrückter. Er arbeitete die Nächte durch und kroch irgendwann in den Morgenstunden wie ein Tier ins Bett. Ich schaute auf die Uhr. Es war elf. Da er sein Programm bis Monatsende fertig haben wollte, saß er wahrscheinlich immer noch vor seinem Computer und schrieb sich die Finger wund. Natürlich hätte ich ihn anrufen können, um ihm eine gute Nacht zu wünschen, aber es nervte mich, dass immer ich mich um unsere Beziehung kümmern musste. Davon abgesehen, dass ich im Moment anderes zu tun hatte.
    Ich durchwühlte den Aktenschrank, der in meinem Schlafzimmer stand, nach Fotos von mir. Als ich meine Mappe fand, zögerte ich einen Moment, bevor ich sie öffnete. Die Fotos hatte ich vor drei Jahren machen lassen, als ich die Schauspielschule bei den
HB Studios
nach einem Jahr beendete und anfing, mich da draußen zu beweisen. Und obwohl ich noch immer die gleiche Frisur trug, fürchtete ich, dass ich mit einunddreißig erheblich anders aussah, als mit neunundzwanzig.
    Dann öffnete ich die Mappe und fragte mich, ob ich jemals die Frau gewesen war, die mich da anblickte.
    Diese Frau schaute mit einem Selbstbewusstsein in die Kamera, von dem ich nicht wusste, dass ich es jemals besessen hatte. Sie lächelte wissend und sogar irgendwie … sexy. Und ihr Haar …
    Ich seufzte. Auf keinen Fall würde ich diese Frisur noch einmal hinbekommen. Damals hatte ich einen Hairstylisten, der meine Haare glatt fönte, einen Visagisten, der meine Haut ebenmäßig erscheinen und meine Augen strahlen ließ, und einen Fotografen, der die Fotos nur eine Sekunde danach schoss. Doch bei dem schwülen New Yorker Wetter brauchte ich mich gar nicht erst zu bemühen …
    Ich steckte ein paar Fotos und meinen Lebenslauf in einen Umschlag. Die Daten von
Rise and Shine
hatte ich schon vor Monaten eingefügt, als ich von einer besonders zermürbenden Aufzeichnung nach Hause gekommen war und beschlossen hatte, mein Leben zu ändern. Allerdings änderte ich nur meinen Lebenslauf.
    Nachdem ich mich schließlich für ein rotes Tanktop entschieden hatte (um meine schön definierten Arme zu zeigen, die ich durch das Training fünfmal die Woche bekommen hatte) und eine schwarze Caprihose, ging ich ins Badezimmer, um mir jegliches vom Popcorn begünstigtes Öl vom Gesicht zu waschen, das meine Poren verstopfen könnte, und stieg ins Bett.
    Doch ich konnte nicht schlafen. Zumindest nicht gleich. Ich wusste zwar, dass ich riskierte, am nächsten Morgen mit Augenrändern aufzuwachen. Aber sosehr ich auch versuchte, ruhig zu werden, es gelang mir nicht. Immer wieder stiegen Ängste in mir hoch. Wie sollte ich Viveca Withers davon überzeugen, dass ich ein kommender Star war, nachdem mir doch die sechs Monate bei
Rise and Shine
ganz deutlich gezeigt hatten, wie unwichtig ich eigentlich war. Ich meine, wer außer einer Hand voll ehrgeiziger Eltern und vielleicht ein paar Pädophilen stand in aller Herrgottsfrühe auf, um die Sendung zu sehen?
    Doch dann dachte ich daran, dass es noch nicht
so
lange her war, als ich den Puck in
Ein Mittsommernachtstraum
im Washington Square Park gespielt hatte. Und ich war gut gewesen – die Leute lachten –, obwohl ich sonst eigentlich keine humorvollen Rollen spielte. Ich suchte mir immer die ernsten heraus. Ich war fantastisch als Maggie in
Die Katze auf dem heißen Blechdach
und strahlte als Nora in
Nora. Ein Puppenheim
. (Okay, ich wurde als schwermütige norwegische Hausfrau nur deshalb besetzt, weil es sich um eine lateinamerikanische Version des Stoffes handelte, aber ich war verdammt gut für eine Italienerin, die über ihre Herkunft gelogen hatte.) Ich begeisterte sogar einige Leute als

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