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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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    Andererseits, wenn ich ein Mann gewesen wäre, hätte ich auch nicht die verschönernden Kosmetikprodukte nutzen können, die ich zusammen mit den ausgewählten Kleidern und dem Ordner in meinen Matchbeutel packte. Ich plante, nach der Sendung im Studio zu duschen, dann Colin hoffentlich zu einem Frühstück überreden zu können und die Zeit zu vertrödeln, bis ich meinen Termin hatte.
    Ich weiß nicht, wie ich die Übungen bei
Rise and Shine
durchstand, obwohl ich zugeben muss, dass die Pheromone, die bei dem frühmorgendlichen Training ausgeschüttet wurden, meine Nerven ein wenig beruhigten. Was allerdings nicht lange anhielt. Ich konnte hinterher beim Frühstück kaum etwas essen, mein Magen rebellierte trotz der ermutigenden Worte von Colin.
    „Das hier ist für dich nur der Anfang, Angie. Für uns beide“, erklärte er strahlend, nachdem er sein Omelette gegessen hatte. Natürlich hatte ich ihm nicht erzählt, dass ich in Viveca die Chance sah, endlich bei
Rise and Shine
auszusteigen. Ich wusste nämlich nicht, wie er das auffassen würde, nachdem er offenbar glaubte, dass der bevorstehende Vertrag die Erfüllung all unserer Träume wäre. Und in Colins Fall stimmte das auch. Ich beobachtete ihn ein wenig unbehaglich, trank meinen Kaffe und knabberte an dem Toast, der mit meinem Omelette gekommen war, von dem ich aber nach zwei Bissen nichts mehr herunterbekam.
    „Ich meine, siehst du es denn nicht? So langsam bewegt sich alles in die richtige Richtung – deine Beziehung mit Kirk, deine Schauspielkarriere …“
    Wenn dem so war, wieso hatte ich dann das Gefühl, als ob mir der Boden unter den Füßen weggerissen würde?
    Kurz nach halb zehn verabschiedete Colin sich, weil er auf seinen Neffen aufpassen musste. (Das ist es, was ich meine. Colin konnte einfach nie
genug
bekommen von anderer Leute Kinder.) Weil ich nicht wusste, wohin, und keine Lust hatte, mir die Schaufenster mit der Herbstmode anzusehen, beschloss ich, in die
New York Public Library
zu gehen. Sie war nur zwei Avenues und sechs Blöcke von meinem späteren Ziel entfernt. Außerdem war der Leseraum mit seinen hohen Decken, den langen Holztischen, auf denen Leselampen standen, und der ernsthaften Atmosphäre einer der besten Orte in New York City, um zur Ruhe zu kommen. Ich kam punkt zehn Uhr an, ging direkt in meinen Lieblingsraum und suchte mir einen bequemen Stuhl. Ich holte mein Schauspielbuch heraus – irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mich das in die richtige Stimmung für mein Treffen versetzen würde. Ich wollte mich entspannen.
    Und schlief prompt ein.
    Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Nun, gut, ich habe schon eine vage Ahnung, wie es passieren konnte. Ich hatte die Seite mit einem meiner Lieblingsmonologe aufgeschlagen, doch innerhalb von Sekunden verschwammen die Buchstaben vor meinen Augen, weshalb ich kurz meinen Kopf auf das Buch legte. Nur ganz kurz. Nur lange genug, bis meine müden Augen zu brennen aufhören würden.
    Leider dauerte es länger. Um genau zu sein schlief ich eine drei viertel Stunde, wie ich feststellen musste, als ich erschrocken aufwachte und auf die Uhr schaute.
    Ich wusste nicht einmal, was mich geweckt hatte, auf jeden Fall war es inzwischen zehn Uhr fünfundvierzig, ich hatte noch ganze fünfzehn Minuten, um zur 36. Straße Ecke Park Avenue zu gelangen. Diese sechs Blöcke und zwei Avenuen kamen mir plötzlich so lang vor wie eine Marathonstrecke.
    Ein Taxi, ich nehme ein Taxi, dachte ich und verdrängte den Gedanken daran, dass, wie ich beim Bezahlen des Frühstücks entdeckt hatte, mein Bargeld ganz schön knapp geworden war. Mit einem Mal wünschte ich, ich hätte Justins gestriges Angebot angenommen, mich zur Feier meines Erfolges, aus dem vielleicht bald mein größter Albtraum werden würde, ins Kino einzuladen. Ich packte mein Buch in die Tasche, rannte durch die Tür in die schwüle Luft und versuchte nicht daran zu denken, welchen Schaden ich damit meiner Frisur zufügte.
    Mein ganzer Köper schien zu zittern, als ich die breiten Treppenstufen hinuntersprang und die Fifth Avenue nach einem Taxi absuchte. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Ich stellte fest, dass das Zucken in meinen Fingern die ganze Hand erfasste, die ich hob, um ein Taxi anzuhalten. In meinem Magen rumorte es, und da wusste ich, was los war. Ich war am
Verhungern
. Kein Wunder. Ich hatte nur zwei Bissen des 9,95 Dollar teuren Omelettes heruntergewürgt. Wie dumm von mir! Ich würde den Tag niemals ohne was

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