Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
im Magen durchstehen.
Als ich mir vorstellte, Viveca Withers in diesem Zustand gegenüberzutreten, sank mein Zuckerspiegel auf einen bisher unerreichten, gefährlichen Tiefstand. Ich blickte fieberhaft um mich und entdeckte nur wenige Schritte weiter einen Hot-Dog-Stand. Doch auch wenn mich der Gedanke, vor Viveca Withers Schreibtisch vor Hunger ohnmächtig zu werden, erschreckte, so hätte ich bei der Vorstellung, meinen leeren Magen mit dieser merkwürdigen Mischung aus Rindernebenprodukten zu füllen, beinahe den Rest des gestrigen Popcorns auf den Gehsteig erbrochen.
Ich spazierte zu dem Stand, warf einen kurzen Blick auf die Tafel, fand ein Gericht grauenvoller als das andere (was für ein Tier da wohl an diesem Kebabstab hinter der Glasscheibe brutzelte?) und traf meine Wahl.
„Eine Cola light bitte.“
Mehr konnte ich in dem Moment nicht zu mir nehmen. Aber mit diesem Koffeinschock würde ich es vielleicht durchstehen. Ich musste einfach. „Wie viel macht das?“
„Zwei Dollar“, sagte der Verkäufer mit einem derart starken Akzent, dass ich schon dachte, ihn falsch verstanden zu haben.
Zwei Dollar? Seit wann kostete eine Dose Cola light zwei Dollar? Ich wollte allerdings keine Zeit damit verlieren, ihn darüber aufzuklären, dass ich keine dumme Touristin war, die er abzocken konnte (denn das war sein Prinzip, so wie seine Augen strahlten, als ich ihm das Geld praktisch ins Gesicht warf). Ich drehte mich wieder zur Straße und war erleichtert, als ein Taxi hielt, um mich erhitzt und (wie ich glaubte) verschwitzt vom Straßenrand zu retten.
Fünf Dollar später (gut, es war viel Verkehr, aber hier war
immer
viel Verkehr), fuhr ich mit dem Fahrstuhl in die fünfte Etage, in der Ms. Viveca Withers ihre Agentur betrieb. Zumindest hatte ich das Gefühl, einen vollen Magen zu haben, nachdem ich mich mit der berauschenden Mischung aus Süßstoff und Koffein voll gepumpt hatte. Und ich war nur drei Minuten zu spät, was für mich wirklich ein Rekord war. Ich konnte nur hoffen, dass Ms. Withers genauso unpünktlich war wie ich.
Wie sich herausstellte, war sie es.
„Nehmen Sie Platz“, sagte die Sekretärin. „Ms. Withers spricht noch mit einem anderen Klienten.“
Ich verbrachte die nächsten fünfundzwanzig Minuten in dem recht karg eingerichteten Wartezimmer, direkt gegenüber einer großen, gertenschlanken Blondine. Bei diesem perfekten Make-up, dem hervorragend sitzenden Haar und dem unglaublich faltenfreien Leinenkleid konnte sie eigentlich nur per Hubschrauber angereist sein. Dann kam dieser Typ mit den feinen Gesichtszügen herein und begann sofort mit der Sekretärin zu flirten. Keine Ahnung, ob er bei ihr landen wollte oder einfach Bestätigung brauchte. Zu meiner Rechten saß ein weiterer Adonis, der irgendein Hautproblem zu haben schien, zumindest kratzte er sich ständig am Arm. Vielleicht war er auch nur nervös. Wer konnte ihm das vorwerfen? Er schien ungefähr in meinem Alter zu sein, während alle anderen zusammen kaum alt genug waren, um einen Rentenausweis zu beantragen.
Gerade als ich über die Kosten und möglichen Nebenwirkungen von Botox-Injektionen nachdachte, hörte ich, wie mein Name aufgerufen wurde.
„Angela DiFranco? Ms. Withers hat jetzt Zeit für Sie.“
Ich stand auf, schnappte meine Tasche, fuhr mir mit zitternden Händen ein letztes Mal übers Haar und steuerte auf die Tür zu, aus der ich größere, stärkere und schönere Menschen als mich hatte kommen sehen. Ich trat ein, um herauszufinden, was das Schicksal, oder zumindest Ms. Viveca Withers, mit mir vorhatte.
Hatte mich schon die Kargheit des Wartezimmers überrascht, so erstaunte mich das Aussehen von Viveca Withers noch mehr, die irgendwie … kleiner und ein wenig jünger aussah, als die Endvierzigerin, die ich vor einem Jahr kennen gelernt hatte. Oder nicht jünger, wie ich feststellte, als sie meine Hand schüttelte und mir ein liebenswürdiges Lächeln zuwarf, sondern irgendwie
gestraffter
. Um die Augen und ums Kinn herum. Offenbar hatte Viveca ein kleines Lifting hinter sich.
„Es freut mich, dass Sie mich treffen wollen, Ms. Withers.“
„Nennen Sie mich Viveca“, entgegnete sie sofort und musterte mich mit dunklen Augen unter offensichtlich blond gefärbten Augenbrauen, die zu ihrem kurzen, fransigen blonden Haar passten. „Ich finde, wir sollten uns mit Vornamen ansprechen, wenn wir zusammenarbeiten.“
Nun, das war wirklich ein bemerkenswerter Anfang. Ich lächelte sie an und setzte mich
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