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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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Justins Zimmer. Er saß über seine Gitarre gebeugt, den Blick auf die gegenüberliegende Wand geheftet. Offenbar arbeitete er an einer neuen Komposition, auch wenn er sich noch immer nicht auf die Bühne getraut hatte.
    „Rate mal“, sagte ich.
    Justin hob den Kopf.
    „Ich habe morgen einen Termin mit einer Agentin. Viveca Withers vom
Actors’ Forum
?“
    „Mensch, das ist ja fantastisch“, sagte er. „War sie nicht Sarah Jessica Parkers Agentin?“
    „Ich glaube schon …“
    „Das könnte der Anfang vom Ende deiner Karriere bei
Rise and Shine
sein.“
    Ich nickte energisch.
    „Ich finde, das schreit nach einer Feier.“
    Zwar hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn von seiner Gitarre wegholte – schließlich war es ziemlich lange her, dass ich ihn etwas Kreatives hatte tun sehen –, doch ihm schien es nichts auszumachen.
    „Ach, mach dir keine Gedanken. Ich bin sowieso nicht gut vorangekommen.“ Er zog die Schuhe an, fuhr sich mit den Händen durchs Haar, wodurch er es noch mehr zerzauste. Was nicht schlimm war. Zerzaust stand ihm gut.
    „Wo möchtest du hingehen? Three of Cups?“ fragte er. Das war unsere Lieblingskneipe.
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“ Denn ich wusste genau, was ich am liebsten machen wollte.
    „Wohin dann?“
    „Ins Kino.“
    Dort verbrachten wir also den Abend, tief eingesunken in einem bequemen Zweisitzer im
Union-Square-Multiplex
. Wir schauten uns den aktuellen Film von Woody Allen an, zwischen uns eine Tüte Popcorn, die wir frisch auffüllen ließen, als wir in das nächste Kino gingen, um uns einen Actionfilm anzusehen, der zufällig wenige Minuten später begann. Justin wollte sogar noch in einen dritten gehen – er war genauso süchtig nach Filmen, wie ich –, doch da hörte ich auf die hässliche Stimme der Vernunft, denn es war schon fast halb elf.
    „Gott, schon so spät.“ Ich blinzelte, als die Lichter angingen. Ich fühlte mich ein wenig benommen. Ich musste mich noch auf den morgigen Tag vorbereiten – Fotos heraussuchen und mir Antworten auf alle möglichen Fragen überlegen, die Viveca vielleicht stellen würde. „Ich muss nach Hause und früh ins Bett, damit ich morgen so gut wie möglich aussehe.“
    Schließlich erholt sich der Körper einer Einunddreißigjährigen nicht mehr so schnell wie früher. Ich sah mich schon mit geschwollenen Augen und ganz aufgebläht in der Agentur ankommen (ich hätte nicht so viel Popcorn essen dürfen, aber es war soooooo gut …). „Ich weiß noch nicht mal, was ich anziehen soll!“
    „Entspann dich, das geht schon alles gut“, sagte Justin. Wir traten aus dem klimatisierten Kino in die schwüle Nachtluft.
    Ich wurde etwas ruhiger, als wir nebeneinander an den Wohnhäusern vorbeigingen, die die 10. Straße der East Side säumten. Wahrscheinlich lag es an Justin. Er lief immer durch die Gegend, als hätte er kein Ziel, als müsse er nirgendwo hin. Gelegentlich wies er mich auf ein besonders auffälliges Straßenschild oder ein hübsches Schaufenster hin, woran ich normalerweise einfach vorbeilief, weil ich es immer eilig hatte, ins Fernsehstudio oder zu
Lee and Laurie
oder zu Kirk zu kommen.
    In dieser Nacht war Justin besonders munter, machte Bemerkungen über ungewöhnliche Hausfassaden und erzählte alles, was er über die architektonische Geschichte wusste. Er war wohl von dem Film, den wir gerade erst gesehen hatten, inspiriert. Zwar war er kein so großer Woody-Allen-Fan wie ich, aber er respektierte jeden, der die Gebäude und Straßen dieser wunderbaren Stadt so liebevoll dokumentierte, wie Woody Allen. Normalerweise hörte ich es gerne, wenn Justin mit poetischen Worten über hübsche Mauern oder stilvolle Hauseingänge sprach, doch diesmal machte mich sein ausschweifender Diskurs ein wenig traurig.
    „Mein Gott, Justin, du solltest einen Film über New York machen!“ Ich dachte an seinen ersten Film. Denn der hatte seine Liebe zu New York dokumentiert. Es ging um Straßengangs der Lower East Side. Er hatte sich ein wenig an
Mean Streets
von Scorsese gehalten (einer seiner Lieblingsregisseure), nur gab es in seinem Film mehr Romantik.
    „Ja, vielleicht.“ Ein träumerischer Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
    Diesen Ausdruck hatte ich schon tausendmal zuvor gesehen. Es war die Hoffnung, der Glaube, dass er eines Tages sein Talent zeigen konnte, in welcher Form auch immer. Doch abgesehen von seinem von Kritikern geliebten – und jetzt irgendwo vermodernden – Film und den verschiedenen

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