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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wischen.
    »Sapperlot! ein Goldjunge! Dem geht's gut! das laß ich mir
gefallen!« sagte Malignon, der ihm träumerisch zusah.
    Dann kam die Verteilung der »Überraschungen« an die Reihe. Jedes
Kind nahm, sobald es die Tafel verließ, eine der großen vergoldeten
Papiertüten an sich. Allerhand Spielzeug, drollige Kopfbedeckungen,
Vögel und Schmetterlinge kamen daraus zum Vorschein. Jede
Überraschung enthielt eine Knallpille, die von den erfreuten Knaben
tapfer abgeschossen wurde, während die Mädchen die Augen schlossen,
und wiederholt ansetzen mußten.
    Man hörte einen Augenblick nur das dünne Geknatter dieser
Kanonade. Und inmitten solchen Getöses gingen die Kinder in den Saal zurück, wo das Piano unablässig
die verschiedenen Quadrillefiguren spielte.
    »Ich könnte wohl noch ein Törtchen vertragen,« sagte Fräulein
Aurélie leise und nahm an der Tafel Platz.
    Nun setzten sich mehrere Damen an die frei gewordene, noch immer
mit dem Durcheinander dieses gewaltigen Nachtisches bedeckte Tafel.
Ein Dutzend war so klug gewesen, mit dem Essen zu warten. Da sie
keines Dieners habhaft werden konnten, übernahm Malignon
diensteifrig dieses Amt. Er leerte die Schokoladenkanne, prüfte den
Inhalt der Flaschen, ja es gelang ihm, noch einiges Eis
aufzutreiben. Aber während er den Galanten spielte, kam er immer
wieder auf die »seltsame Schrulle« zurück, die Jalousien
geschlossen zu halten.
    »Wahrhaftig,« sagte er immer wieder, »man sitzt hier wie in
einem Keller.«
    Helene plauderte mit Frau Deberle, die indessen bald in den
Salon zurückkehrte. Da fühlte sie sich leise an den Schultern
berührt. Der Doktor stand lächelnd hinter ihr.
    »Sie langen ja gar nicht zu?« fragte er.
    Und in diese Allerweltsfrage legte er eine so lebendige Bitte,
daß sie eine große Verwirrung überkam. Aufregung bemächtigte sich
ihrer inmitten der Fröhlichkeit dieser hüpfenden und schreienden
kleinen Welt. Mit rosigen Wangen, leuchtenden Augen lehnte sie
zuerst ab.
    »Nein, danke, nichts von allem!«
    Als er aber auf seiner Bitte bestand, sagte sie, um ihn
loszuwerden:
    »Nun, dann meinethalben eine Tasse Tee!«
    Er lief und brachte die Tasse; seine Hände zitterten, als er sie
reichte. Und während sie trank, näherte er sich ihr mit dürstenden
Lippen. Da wich sie zurück, reichte ihm die
leere Tasse und eilte davon, ihn im Eßzimmer mit Fräulein Aurélie
allein lassend, die langsam ihren Kuchen kaute und planmäßig die
Schüsseln untersuchte.
    Das Klavier hämmerte im Hintergrunde des Saales. Und von einem
Ende zum andern wogte der Ball in einer wunderhübschen
Possierlichkeit. Man scharte sich um die Quadrille, in welcher
Jeanne und Lucien tanzten. Der kleine Marquis verhedderte ein
bißchen seine Figuren. Es ging erst gut, wenn er Jeanne anfassen
mußte. Dann legte er den Arm um sie und schwenkte sie herum. Jeanne
schaukelte sich wie eine große Dame. Erst war sie ärgerlich, daß er
ihr Kleid zerdrückte, dann aber riß auch sie das Vergnügen mit
fort. Sie umfaßte ihrerseits den kleinen Marquis und hob ihn vom
Boden. Und der sträußchenbestickte Atlasfrack mengte sich mit der
mit Blumen und seltsamen Vögeln geschmückten Robe. Die beiden
Porzellanfigürchen zeigten jetzt Anmut und Besonderheit einer
Glasschranknippessache.
    Nach der Quadrille rief Helene Jeanne zu sich, ihr Kleid wieder
zurechtzuzupfen.
    »Lucien ist's gewesen!« schmollte die Kleine, »er drückt mich so
fest – ach! er ist unausstehlich.«
    Die Eltern im Saale lächelten. Als sich das Klavier wieder hören
ließ, fingen alle Knirpse an, umherzuspringen. Sobald sie aber
sahen, daß man sie beobachtete, wurden sie verlegen und stellten
die Hopserei ein. Manche verstanden zu tanzen; die Mehrzahl
trampelte in Unkenntnis der Figuren ungelenk herum.
    Pauline mengte sich dazwischen.
    »Ich muß mich ihrer annehmen,« sagte sie. »O diese
schwerfälligen Bengels!«
    Sie sprang mitten in die Quadrille hinein
und griff zwei der kleinen Tänzer bei den Händen. Den einen links,
den andern rechts, gab sie dem Tanz einen solchen Schwung, daß das
Parkett krachte. Man hörte nur noch das wüste Hacken der kleinen
Füße und das taktmäßige Hämmern des Klaviers. Einige der Großen
mischten sich ebenfalls ein. Frau Deberle und Helene führten ein
paar schüchterne kleine Mädchen, die nicht zu tanzen wagten, ins
dichteste Gedränge. Sie leiteten die Figuren, stießen die Tänzer
zurecht und bildeten die Runden. Die Mütter schoben ihnen die
kleinsten

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