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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gesicht? Sie küßte das Kind, aber Jeanne zitterte mit
einer Gebärde tiefen Unwillens. Jeanne weinte leise vor sich hin,
während sie ein nervöser Krampf streckte. Helene meinte, man solle
von solchen Kinderlaunen nicht zuviel Aufhebens machen. Dennoch
fühlte sie eine dumpfe Scham, und das Gesicht des Töchterchens an
ihrer Schulter trieb ihr die Röte in die Wangen. Dann setzte sie
Jeanne wieder ab.
    »Sei artig und wisch dir die Augen. Es wird alles wieder gut
werden.«
    Das Kind gehorchte und zeigte sich sehr
sanft, nur ein wenig verschüchtert. Plötzlich hatte sie einen
erstickenden Hustenanfall.
    »Ach Gott, nun bist du krank. Man kann dich wahrhaftig keine
Minute allein lassen! Frierst du?«
    »Ja, Mama, im Rücken.«
    »Hier, komm, nimm diesen Schal Im Eßzimmer brennt das
Kaminfeuer. Dort wirst du warm werden.. Hast du auch Hunger?«
    Jeanne stockte. Sie wollte die Wahrheit sagen und mit Nein
antworten, aber sie schielte wieder bloß von der Seite und
sagte:
    »Ja, Mama.«
    »Nun, dann wird es nichts Ernstliches sein,« erklärte Helene,
sich selber beruhigend. »Aber ich bitte dich, du böses Kind, du
jagst mir einen schönen Schrecken ein.«
    Als Rosalie mit der Meldung kam, das Essen sei aufgetragen,
schalt Helene sie tüchtig aus. Das Dienstmädchen senkte
schuldbewußt den Kopf und sagte bedrückt, daß sie die Schelte
verdiene und auf das Fräulein besser hätte achtgeben müssen. Um
ihre Herrin versöhnlich zu stimmen, half sie ihr beim Auskleiden.
Du lieber Himmel! Die gnädige Frau war ja in einer netten
Verfassung. Jeanne folgte mit den Augen den Kleidungsstücken, die
nacheinander zu Boden fielen, mit Blicken, als wollte sie jedes
einzelne ausfragen. Das Band eines Unterrocks wollte sich gar nicht
lösen lassen. Rosalie hatte eine Weile zu nesteln, um den Knoten
aufzuknüpfen. Das Kind kam näher und zankte, die Ungeduld des
Mädchens teilend, über den Knoten. Dann flüchtete sie von den
Kleidern, deren feuchter Dunst ihr widerlich war, hinter einen
Sessel.
    »Madame muß sich jetzt wieder wohler fühlen,« meinte Rosalie.
»Es ist was wert, trockene Wäsche auf dem Leibe zu haben, wenn man
so durchgeweicht ist.«
    Als Helene ihr blaues Hauskleid auf dem Körper fühlte, seufzte
sie wohlig. Sie war ja wieder daheim und fühlte endlich die Last
der nassen Kleider nicht mehr am Körper.
    Das Mädchen mochte noch so sehr drängen, die Suppe stände auf
dem Tisch, Helene wollte sich zuerst noch Gesicht und Hände
säubern. Als sie erfrischt, noch feucht vom Waschen, mit bis ans
Kinn zugeknöpftem Hauskleid am Tische saß, kam Jeanne, nahm ihre
Hände und küßte sie.
    Während des Essens schwiegen Mutter und Tochter. Das Feuer im
Kamin knisterte. Das kleine Eßzimmer hatte mit seinem glänzenden
Mahagoni und dem hellen Porzellan einen Schimmer von
Gemütlichkeit.
    Helene schien wieder in jener Betäubung befangen, die sie am
Denken hinderte. Sie aß mechanisch ohne rechten Appetit. Jeanne
ließ die Mutter nicht aus den Augen und schaute verstohlen über ihr
Glas nach ihr. Sie hustete. Helene, die im Augenblick nicht an das
Kind gedacht hatte, überkam sogleich wieder die Unruhe.
    »Wie! du hustest noch! Bist du denn noch immer nicht warm?«
    »O ja, Mama, mir ist ganz warm.«
    Helene wollte ihre Hand prüfen, da erst sah sie, daß das Kind
noch den vollen Teller vor sich hatte.
    »Du sagtest doch, du hättest Hunger … Magst du das Essen
nicht?«
    »O doch, Mama… Ich esse ja… « Jeanne
würgte ihre Bissen hinunter. Helene überwachte sie einen
Augenblick, dann kehrte ihr in diesem von Schatten erfüllten
Gemache die Erinnerung wieder.
    Und das Kind sah, daß es nichts mehr galt … Gegen Ende der
Mahlzeit hatten sich seine schwächlichen Gliederchen auf dem Sessel
gestreckt. Jeanne glich einer Greisin, mit den blassen Augen sehr
alter Jungfern, die niemandes Liebe mehr besitzen werden.
    »Mag das Fräulein kein Gebäck?« fragte Rosalie. »Darf . ich
abdecken?«
    Helene blieb unruhig sitzen.
    »Mama, ich bin so schläfrig,« sagte Jeanne entschlossen. »Du
hast doch nichts dagegen, wenn ich mich schlafen lege? Im Bett wird
mir's besser sein.«
    Wieder schien die Mutter aus ihren Sinnen aufzuschrecken.
    »Hast du Schmerzen, mein Liebling? Sprich doch, wo tut es dir
weh?«
    »Nirgends, wenn ich es dir doch sage … Ich bin bloß
müde … So müde … «
    Jeanne rutschte von ihrem Stuhl und stellte sich gerade, um zu
zeigen, daß sie nicht krank sei. Die müden Beine schwankten auf

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