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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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seine
Westentasche.
    Es wäre ein herrliches Land, im Frühjahr geradezu
unvergleichlich schön. Warum führe Frau Grandjean mit ihrem
Töchterchen nicht einmal nach Italien?
    Nach allerlei Umwegen riet er zu einem Aufenthalt in diesem
»Lande der Sonne«, wie er Italien nannte. Helene sah ihn prüfend
an. Da verwahrte er sich: Weder sie noch ihr Töchterchen wären
krank, bloß würde Luftveränderung guttun. Helene erbleichte.
Tödliche Kälte faßte sie bei dem Gedanken, Paris verlassen zu
müssen. Ach Gott! So weit fortzugehen! Henri mit einem Schlage zu
verlieren und ihrer Liebe entsagen zu müssen! Helene beugte sich zu
Jeanne nieder, um ihre Verwirrung zu verbergen. Wollte denn Jeanne
in dieses schöne Land? Das Kind hatte die kleinen Finger krampfhaft
geschlossen. Und ob sie wollte! Sie möchte gern in die Sonne gehen,
allein, ganz allein mit ihm und der Mutter. Ihr armes mageres
Gesicht, das fieberhaft glühte, strahlte in der Hoffnung neuen
Lebens. Helene hörte nicht mehr hin. Ärgerlich und mißtrauisch, war sie jetzt überzeugt, daß alle
miteinander im Einverständnis waren, sie von Henri zu trennen: der
Abbé, Doktor Bodin und selbst Jeanne. Als der Arzt Frau Grandjean
so unentschlossen und düster sah, glaubte der alte Herr, daß er es
mit seinem Rat wohl doch nicht richtig angefangen habe. Er beeilte
sich zu versichern, daß nichts zu einer solchen Reise dränge,
dennoch fest entschlossen, auf seine Anregung zurückzukommen.
    Gerade an diesem Tage mußte Frau Deberle das Haus hüten. Kaum
war der Doktor gegangen, als Helene sich eilig zum Ausgehen fertig
machte. Jeanne wollte nicht mitgehen. Sie fühle sich beim
Kaminfeuer ganz wohl, würde auch recht artig sein und das Fenster
nicht auf. machen. Seit einiger Zeit schon quälte sie die Mutter,
nicht mehr, sie mitzunehmen, und folgte ihr bloß mit einem langen
Blick. Wenn sie dann allein war, hockte sie sich auf ihr Stühlchen
und blieb stundenlang sitzen, ohne sich; zu rühren.
    »Mama! Ist es weit nach Italien?« fragte sie, als, Helene ihr
zum Abschied einen Kuß geben wollte.
    »Freilich, sehr weit, mein Liebling.«
    Jeanne hielt die Mutter umschlungen und flüsterte:
    »Rosalie könnte ja hier das Haus verwahren. Wir werden sie dort
nicht brauchen … Siehst du, einen nicht zu großen Koffer… das
wäre hübsch, liebes Mütterchen! Wir beide ganz allein! Ich würde so
dick wiederkommen … Sieh, so dick!«
    Jeanne pustete die Backen auf und machte die Arme rund. Helene
vertröstete sie, daß man sehen würde, und gab Rosalie strikte
Weisung, sorgsam über der Kleinen zu wachen. Dann hockte sich das
Kind in die Kaminecke, starrte in das Flackern des Feuers und
versank in träumendes Sinnen. Von Zeit zu
Zeit streckte sie mechanisch die Handflächen vor, um sie zu wärmen.
Der Widerschein der Flamme strengte ihre Augen an. Sie war so
versunken, daß sie Herrn Rambaud nicht kommen hörte. Herr Rambaud
machte jetzt sehr oft seinen Besuch und gab vor, wegen einer
kranken alten Frau zu kommen, die Doktor Deberle noch nicht im
Spital habe unterbringen können. Traf er Jeanne allein, setzte er
sich in die Kaminecke und plauderte mit dem Kinde wie mit einer
Erwachsenen. Die Sache sei außerordentlich langwierig, sagte er.
Die arme Frau warte nun schon eine ganze Woche auf ihre
Einlieferung. Er wolle sogleich hinuntergehen, würde den Doktor
Deberle aufsuchen, der ihm heute vielleicht Bescheid geben könnte…
Dennoch machte er keine Anstalten zu gehen.
    »Hat dich deine Mutter nicht mitgenommen?«
    Jeanne zuckte die Schultern. Sie war unsagbar müde.
    »Ich werde alt,« seufzte sie. »Ich kann nicht mehr spielen… Mama
amüsiert sich draußen, und ich amüsiere mich hier. So sind wir eben
nicht mehr beisammen.«
    Da schauten Herr Rambaud und das Kind mit ernsten Gesichtern
einander an, als hätten sie gemeinsam einen großen Kummer zu
tragen. Sie sprachen nicht darüber, aber sie wußten, weshalb sie so
traurig waren und so gern in der Kaminecke einander gegenübersaßen,
wenn die Wohnung leer war.
    Helene hatte Frau Deberle und deren Schwester Pauline im
japanischen Pavillon angetroffen, wo sie des öfteren die
Nachmittage verbrachten. Es war dort sehr warm, eine Heizröhre
strömte erstickende Wärme aus. Die breiten Spiegelscheiben waren
geschlossen, und man sah den engen Garten
im Winterschmuck. Die Schwestern stritten lebhaft.
    »Laß mit doch in Ruhe,« rief Juliette. »Unser wahres Interesse
ist es, die Türkei zu schützen.«
    »Ich habe mit

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