Ein Boss zum Träumen
gesprochen.
Vielleicht war es an der Zeit, reinen Tisch zu machen?
Gerade als sie kochendes Wasser in die Teekanne goss, klingelte es. Auf dem Weg zur Tür presste Shana die Hand gegen den Magen.
Du bist allein gekommen!
Sie ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken. Wie gern hätte sie ihrem Vater gezeigt, dass es ihr gut ging. Jetzt erfuhr er es wieder nur aus zweiter Hand.
„Hi, Mom!“ Shana umarmte ihre Mutter. Diese reagierte überrascht. In Shanas Familie waren Umarmungen nicht üblich. Shana hatte sogar geglaubt, dass niemand sich umarmte, bis sie von Aggies Verwandtschaft, die sich ständig in die Arme fiel, eines Besseren belehrt wurde.
„Vor dem Haus steht nur Kincaids Truck“, begrüßte ihre Mutter sie.
„Er ist mit meinem Wagen unterwegs. Komm herein.“
„Wo ist Emma?“
Wie üblich hatte ihre Mutter ihre Haare zu einem Knoten gebunden. Ihre grünen Augen hatten alle drei Kinder von ihr geerbt. Sie war stämmig, wurde jedoch von Jahr zu Jahr kleiner. Außerdem ging sie immer gebeugter.
„Sie schläft. Bestimmt wacht sie auf, ehe du gehst.“
„Das ist ja ein beeindruckendes Haus. Ich habe gesehen, wie es gebaut wurde. Kincaid war jahrelang unser Kunde und hat viel bei uns gekauft – auch für dieses Haus.“ Sie trat ein und sah sich um – genauso überwältigt wie Shana, als sie das erste Mal hier war. „Ganz anders als das, in dem du aufgewachsen bist, nicht wahr?“
In der Tat. „Mir gehört es nicht. Ich arbeite nur hier.“
„Stimmt das wirklich?“ Beatrice Callahan zog ihre Jacke aus und reichte sie Shana. Einmal mehr fiel ihr auf, wie alt die Hände ihrer Mutter geworden waren. Sie hätte sich längst zur Ruhe setzen müssen, aber solange sie keinen Nachfolger für ihren Eisenwarenhandel gefunden hatten, würde ihr Vater nicht aufhören zu arbeiten. Also musste ihre Mutter ebenfalls noch täglich ins Geschäft gehen. Seit einem Jahr stand der Laden zum Verkauf, doch bisher hatte sich noch kein Interessent gemeldet.
„Ja, das stimmt wirklich. Ich bin Kincaids Haushälterin. Daneben erledige ich auch andere Arbeiten für ihn.“ Sie deutete aufs Sofa. „Ich habe Tee gemacht und Kekse gekauft.“
„Du weißt, dass die Leute über euch reden, oder?“ Bea setzte sich hin.
„So ist das nun mal in Chance City.“ Lächelnd schenkte Shana zwei Tassen Tee ein, als ob ihr das vollkommen gleichgültig wäre. „Aber es ist eine reine Geschäftsbeziehung. Ich brauche nicht mehr nach Sacramento zu fahren, und Kincaid verschafft mir Aufträge, damit ich als Raumausstatterin arbeiten kann. Langfristig werde ich ein eigenes Geschäft eröffnen können. Er hilft mir dabei. Und was gut für mich ist, ist auch gut für Emma.“
Bea runzelte die Stirn. „Ich dachte, diese Innenausstattungen wären bloß ein Hobby.“
Vermutlich dachten viele Menschen so. „Ich bekomme Geld für diese Arbeit, Mom. Das würde ich auch gern weitermachen. Bis jetzt hatte ich zwar erst drei Kunden, aber die waren sehr zufrieden mit mir.“
„Braucht man dazu keine Ausbildung?“
„Es könnte nichts schaden. Doch momentan kommt das nicht infrage. Ich habe mir viel selbst beigebracht. Außerdem bin ich begabt dafür. Das sagen alle.“
„Die Leute sind eben freundlich …“ Ihre Stimme verlor sich.
Danke für dein Vertrauen in mich, Mom. Shana hatte sich vorgenommen, niemals zu werden wie ihre Eltern. Ihre Tochter sollte immer das Gefühl haben, unterstützt und geschätzt zu werden.
Ihre Mutter trank einen Schluck Tee und biss in einen Keks. Shana musterte sie durchdringend.
„Bist du eigentlich glücklich, Mom?“
„Was ist denn das für eine Frage?“
„Eine ganz einfache.“
Sie nahm die Teetasse in beide Hände, als ob die Wärme ihr Sicherheit geben könnte. „Nun ja, Shana, das Leben ist nun mal so, wie es ist. Du arbeitest, du isst, du schläfst. Du bist anständig. Du erwartest keine Sonderbehandlung von irgendjemandem. Irgendwann trittst du vor deinen Schöpfer, und dann wäre es gut, wenn du ein ordentliches Leben geführt hast. Ich habe das alles getan, also denke ich, dass ich ein glücklicher Mensch bin.“ Sie atmete tief durch.
„Ich wünschte nur, dein Vater würde sich zur Ruhe setzen. Seit wir vergangenes Jahr den Campingbus gemietet haben, wäre ich gern öfter unterwegs. Bevor es zu spät ist. Nächsten Monat wird er achtundsiebzig.“
Er war Shana schon immer alt vorgekommen. Bei ihrer Geburt war er siebenundvierzig und ihre Mutter dreiundvierzig. Mit
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