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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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seine Söhne Christen wurden. Ich sprudelte über vor modernem Widerspruchsgeist und fühlte ein irrsinniges Verlangen nach Umbruch, Sensationen und unheimlichen Veränderungen. Mir träumte, der Mond sei heruntergefallen, die Sonne erloschen, ein Erdbeben habe Warschau erschüttert – ja, der Hügel im Krasinskipark speie plötzlich Feuer und sei zu dem geworden, was das Buch des Bundes einen Vulkan nannte.
      »Papa, wie würdest du ohne Bart aussehen?« fragte ich Vater einmal.
      Vater warf mir einen erschrockenen Blick zu. »Red keinen Unsinn!«
      Ich stellte mir Vater ohne Bart vor, sogar ohne Schnurrbart, mit Strohhut, in karierten Hosen und gelben Schuhen. Ich mußte gleichzeitig lachen und weinen. Eine Schere oder ein Rasiermesser hätten meinen Vater bartlos machen können. Vaters Kaftan hätte nur gekürzt werden müssen, um ihm ein westlich modisches Aussehen zu geben. Auch er hätte zwischen Schicksen plaziert werden können und Knöpfe annähen müssen … Plötzlich packte ich Vaters Bart und zog daran.
      »Was tust du da! Frechdachs!« schalt Vater mich gutmütig.
      Ein schrecklicher Gedanke befiel mich: Auch er hätte konvertieren, hätte, Gott bewahre, ein Goi werden können … Ein kalter Schauder durchrieselte mich, und ich hatte einen Kloß im Hals. Einem Menschen konnte alles widerfahren. Ein Mensch konnte sogar wie ein Tier geschlachtet und sein Körper auf dem Hackklotz zerstückelt werden.
      »Warum siehst du mich so an? Was denkst du? Warum studierst du nicht?« fragte Vater mich.
      Ich küßte Vater auf die Stirn. »Bleib, wie du bist!«

Der Blechschmied und das Dienstmädchen

    Man erlebt alle möglichen unglücklichen Menschen im Laufe seines Lebens, doch das junge Paar, das ich hier schildern will, war unglücklich auf ungewöhnliche Art. Erst Jahre danach habe ich angefangen zu begreifen, was geschehen war.
      Es begann damit, daß das Paar in unserer Wohnung getraut wurde. Da beide klein waren, sahen sie jünger aus, als sie in Wirklichkeit waren. Er war Blechschmied, und sie war Dienstmädchen gewesen. Er war ein dunkler Typ mit orientalischem Gesicht und hoher Stirn. Er wurde vor der Zeit kahl, und seine kohlschwarzen Augen glühten eigenartig. Ich hatte ihn mehrmals mit katzenhafter Behendigkeit barfuß auf schrägen Dachgiebeln herumklettern sehen.
      Die Frau war breit gebaut, mit üppigem, widerspenstigem Haar, flacher Nase und dicken Lippen. Sie hatte viele Jahre als Dienstmädchen gearbeitet, hatte eine Aussteuer zusammengebracht und Geld für eine Mitgift gespart. Die zwei hatten sich kennengelernt und auf der Stelle geheiratet. Beide waren Waisen.
      Mann und Frau mieteten eine recht hübsche Wohnung und richteten sie ein. Er arbeitete für einen Klempnermeister, und sie, seine junge Ehefrau, war nun die Hausherrin und ging mit ihrem Korb zum Markt. In den ersten paar Wochen schien alles gutzugehen.
      Dann brach Unfrieden aus. Die Frau kam zu uns und beschwerte sich, ihr Mann nörgle ständig, hacke auf ihr herum und mache ihr Vorwürfe. Sie redete nicht mit Vater, sondern mit Mutter.
      »Was will er von Ihnen?« fragte Mutter.
      »Rebbezin, ich weiß es nicht. Ich setze ihm einen Teller Essen vor, das direkt vom Feuer kommt, und er schreit, es sei kalt. Einmal sagt er, eine Speise sei versalzen, ein andermal, sie sei völlig ungesalzen. Die Suppe ist zu wäßrig, das Fleisch zu hart, die Milch sauer. Er mischt sich auch in meinen Haushalt ein. Ich muß ihm über jeden Groschen Rechenschaft geben, und wenn einer fehlt, macht er ein solches Theater, daß alle Nachbarn es hören.«
      »Ist er schon immer so knickerig gewesen?«
      »Nein. Als er mit mir verlobt war, warf er mit dem Geld nur so um sich. Ich mußte ihn immer bremsen, damit er nicht so viel ausgab.«
      »Vielleicht ärgert er sich über irgend etwas.«
      »Warum sollte er sich ärgern? Ich habe ihm nichts getan …«
      »Vielleicht hat er Schwierigkeiten mit seinem Meister?«
      »Nein.«
      »Vielleicht fühlt er sich nicht wohl.«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
      Mutter gab der Frau den ewigweiblichen Rat: Abwarten, Geduld üben, Männer haben manchmal fixe Ideen. Manchmal leidet ein Mann, will aber nicht darüber reden – also läßt er es an seiner Frau aus. Was soll man da machen? Man muß alles geduldig ertragen. Mit der Zeit, wenn der Mann sieht, daß seine Frau ihm treu ergeben ist, wird er umgänglich und bleibt es auch.
      Das waren

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