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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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niemand brauchte ihn. Aus ihm sprach der ganze Bankrott der chassidischen Höfe.
      Eines Tages kam der Rebbe, um mit Vater zu reden. Er saß am Tisch und sagte: »Die Juden in Ihrer Straße haben vor mir keine Achtung.«
      »Kommen sie nicht zu Ihnen?«
      »Sie stecken nicht einmal ihre Nase zur Tür herein.«
      »Sie brauchen uns nicht«, sagte Vater mitfühlend im Plural.
      »Die Wasser sind so hoch gestiegen«, sagte der Rebbe mit einem Zitat aus den Psalmen und deutete auf seinen schlanken Hals, der lang und weiß wie der eines Mädchens war.
      »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« fragte Vater.
      »Nein, nein.«
      Mutter brachte das übliche Glas Tee und Sabbatküchel.
      Der Rebbe hielt das Glas mit langen, dünnen Fingern. Er sah Mutter mit seinen gütigen jüdischen Augen an, die zu sagen schienen: Sehen Sie nur, was aus uns geworden ist …
      Plötzlich verkündete er: »Rabbi, ich gehe nach Amerika.«
      Vater blickte verwirrt: »Nach Amerika?«
      »Ja. Amerika.«
      »Was wollen Sie in Amerika?«
      »Ich will aus dieser demütigenden Lage heraus. Ich will Schneider werden.«
      Vater schien durch diese Worte in Verlegenheit gebracht.
      »Sie – ein Schneider!«
      Der Rebbe faßte sich an den Bart. »Was meinen Sie? Werde ich einen guten Schneider abgeben? In Amerika muß man nicht ein ganzes Kleidungsstück nähen. Es genügt, wenn man einen Knopf oder eine Öse annäht.«
      »Das ist nichts für Sie. Nichts für Sie.«
      »Und mitsamt meiner Familie zu verhungern – ist das im geringsten besser? ›Lieber auf dem Markt ein Gerippe häuten‹, sagt der Talmud, ›als von Almosen abhängig sein.‹«
      »Trotzdem … was ist mit Ihren Kindern?«
      »Man kann auch in Amerika Jude sein.«
      »Ja, aber …«
      »In Amerika laufen die Leute auf dem Kopf«, rief ich aus.
      Vater warf mir einen ziemlich verärgerten Blick zu. »Du redest Unsinn.«
      »Aber ich habe das im Buch des Bundes * gelesen.«
    *
    Buch des Bundes (Sefer Habrit), ei n sehr populäres, traditionelles Buch, entstanden Ende des 18. Jahrhunderts, das verschiedene Bereiche von Philosophie und Naturwissenschaften behandelt (Anm. d. Verf.).

      »Du hast es gelesen, aber nicht verstanden«, sagte der Rebbe. Er erklärte mir, daß die Menschen überall mit dem Kopf nach oben und den Füßen am Boden liefen. Im Hinblick auf himmlische Körper aber lasse sich nicht genau sagen, was oben und was unten ist. Die Worte des Rebbe zeigten deutlich, daß er einen Blick in weltliche Bücher geworfen hatte.
      Dann fragte Vater: »Nun … können Sie irgendwelche Fremdsprachen?«
      »Ich kann Russisch, Polnisch und auch Deutsch.«
      »Wie das?«
      »Ich habe in Bücher hineingesehen.«
      »Hmm … eine ungute Situation.«
      Der Rebbe blieb bei seinem Entschluß. Ich weiß nicht, wie, aber er erhielt eine Schiffspassage für seine gesamte Familie. Das kleine Schild am Haustor, das darauf hinwies, daß hier ein Rebbe wohnte, wurde schon vorher entfernt. Ich wurde Zeuge einer stillen Revolution in seinem Hause. Die Rebbezin legte ihr Seidenkopftuch ab und setzte eine Perücke auf. Die Schläfenlocken der Jungen wurden gestutzt. Der Rebbe hatte seinen Seidenkaftan abgelegt und trug nun einen Mantel aus Baumwollrips. Es war klar, daß er nicht nach Amerika ging, um dort Rebbe zu sein, sondern tatsächlich das Schneidern lernen wollte.
      Einmal traf ich ihn beim Zeitunglesen an. Er schlug sogar kurz einen Roman auf. Es war, als sage er stumm: Da Gott mich nicht braucht, brauche ich Ihn auch nicht. Die Jungen rannten durch die Wohnung, schrien und alberten herum, und ihr Vater ließ es zu. Es war seltsam, aber das Aussehen des Rebbe hatte sich verändert – er sah kräftiger und männlicher aus. Und mit seiner Frau besprach er nun auch weltliche Angelegenheiten. Da klopfte es an der Tür, und ich erlebte eine groteske Szene mit.
      Eine Frau kam herein und fragte: »Wohnt hier der Rebbe?«
      Die Rebbezin fragte sie, was sie wünsche.
      »Ach weh, ach weh, mein Kind ist schwer krank!« jammerte die Frau und begann die Hände zu ringen.
      Anstatt daß man sie in das Zimmer des Rebbe geleitete, kam der Rebbe zu ihr in die Küche. Er fragte, was dem Kind fehle. Auf ihre Antwort sagte er: »Warum sind Sie zu mir gekommen? Suchen Sie einen Arzt auf.«
      »Heiliger Rabbi, erst Gott und dann Sie.«
      »Ich kann Ihnen überhaupt nicht helfen«, sagte der

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