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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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sie, die Frau neben ihm, verkleidet. Vielleicht wird er sie mit seiner Pistole erschießen und sich dann selbst das Leben nehmen. Vielleicht ist die ganze Vergebungsgeschichte nur eine List. Vielleicht sollte ich hinunterlaufen und ihnen nachschleichen. Aber nein – sie würden mich erkennen. Mir fällt das Geld in meiner Tasche ein, und ich beschließe, in die Twardastraße zu gehen und mir ein Geschichtenbuch zu kaufen. Nicht eins, nein, zwei. Nicht zwei, nein, sechs.
    Ich laufe in die Twardastraße. Der neue Händler dort trägt eine kleine rote Mütze. Sein kleiner Bücherkasten ist vollgestopft mit Büchern: Sherlock Holmes, Max Spitzkopf und Titel wie Furchtbare Geheimnisse , Geheimnis am Kaiser hof , Die gefangene Prinzessin , Das verzauberte Waisenmädchen , Die zwölfhundert Diebe. Jeder Titel zieht mich magnetisch an. Jedes Buch handelt auf seine Weise von Geheimnissen, Klugheit und absonderlichen Situationen. Aber ich kann sie nicht alle kaufen. Ich muß wählen.
      Ich gebe alles bis auf die letzte Kopeke aus und schleppe ganze Stapel von Büchern nach Hause. Die Straße und die Jungen interessieren mich überhaupt nicht mehr. Ich habe nur den einen Wunsch: daß mein Vergnügen ungestört bleibt und ich Zeit habe, alles von Anfang bis Ende zu lesen.
      Irgendwann gerate ich ins Träumen, daß auch ich gern ein Geschichtenbuch schreiben würde – voller Rätsel und Geheimnisse, voll von Grafen, Waisenmädchen und verzauberten Dieben, mit einem Brautpaar namens Fania und Zygmunt als Hauptpersonen, die sich zwölf Jahre nicht gesehen haben, sich dann bei einem Rabbi wiederbegegnen, woraufhin ihre Liebe neu entflammt und auflodert wie ein Höllenfeuer.

Ein Rebbe in unserer Straße

    In meiner Geschichte »Enkelsöhne« habe ich einen chassidischen Rebbe porträtiert, der in unserer Straße wohnte. Eines Tages jedoch zog ein neuer Rebbe zu. Während der erste ein Enkel des Rebbe von Kozienice war, stammte dieser aus der Provinz, hatte Verbindungen zum Hof von Kock und war mit der Familie des Rebbe von Kock verwandt.
      Der Neuankömmling hatte meinem Vater einen Besuch abgestattet – ein untersetzter junger Mann mit blondem Bärtchen in zerlumptem Seidenkaftan und abgetragenem Spodek.
      Daß dieser neue Rebbe in eine Straße gezogen war, in der es schon einen chassidischen Rebbe gab, und damit dem alten Konkurrenz machte, wurde als unbefugtes Eindringen angesehen. Aber wo sollte ein Rebbe denn wohnen? In den Vierteln der Gojim brauchte man ihn nicht, und in der jüdischen Straße residierte seit langem der Enkel des Kozienicers.
      Der war schon alt, achtzig oder darüber. Was brauchte ein alter Mann? Doch der neue hatte eine junge Frau und das Haus voller Kinder: Mädchen mit Zöpfen und Jungen mit Schläfen locken bis zu den Schultern. Im Gegensatz zu dem alten war der neue ein Gelehrter. Er hätte ein Rebbe mit einem Hof von Anhängern sein können, aber wo sollte man Chassidim für so viele Rebbes hernehmen? So blieb er eben, was die Leute einen »Enkelsohn« oder »Nachkömmling« eines bekannten Rebbe nannten.
      Um einen Beruf erfolgreich auszuüben, braucht man Glück, aber man sah sofort, daß der junge Rebbe kein Masel hatte. Er wirkte zu vergeistigt, zu weise, zu aristokratisch für die einfachen Frauen in der Straße. Keine kam zu ihm. Keine glaubte, daß er ihr Fürsprecher bei Gott sein könnte. Der alte, der Enkel des Kozienicers, hatte also nichts zu befürchten: Der junge nahm ihm niemanden weg.
      Der neue Rebbe wollte, daß ich mich mit seinen kleinen Söhnen anfreundete, und ich ging zum Spielen hinüber. Die Zimmer der Wohnung waren halb leer. Eine junge Frau, ein Seidentuch um den Kopf, hantierte in der Küche. Die kleinen Mädchen brachten einander das hebräische Alphabet bei und malten aus einer Schönschreibvorlage Zeilen in hebräischer Schrift ab. Die Jungen wiegten sich über ihren Talmudbänden. Alles in der Wohnung war gepflegt und ordentlich, aber niemand kam, um den Rebbe zu sprechen. Niemand klopfte an. Wenn doch jemand klopfte, war es ein Bettler, der von Tür zu Tür ging. Die Rebbezin gab ihm einen Groschen oder ein Stück Zucker.
      Der Rebbe, der ein blasses Gesicht hatte, blaue Augen und eine hohe Stirn, wanderte im Seidengewand in der Wohnung umher. Er besaß alle Merkmale eines chassidischen Rebbe: einen vornehmen Stammbaum, hohe Gelehrsamkeit, die Fähigkeit, Tora zu sagen und Tafel zu halten, und vielleicht sogar die, Wunder zu wirken. Doch

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