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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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M’sieur Rieussec “, sagte der Portier erklärend.
    Ich stellte mich vor und
servierte ihm mein kleines Märchen. Auch er war der Meinung, es sei Pech für
ihn, gerade jetzt, wo ihm ein Vermögen in den Schoß fiel... Ich nickte. Rieussec schien nachzudenken. Dann fragte er mit einem
entschuldigenden Lächeln:
    „Erbt er alleine oder mit
mehreren zusammen?“
    „Es sind mehrere.“
    „Und ist es viel?“
    „Ziemlich viel. Der Notar, der
mich beauftragt hat... Wissen Sie, so was passiert häufiger, als man meint...
Also, Maître Peuchmaurd hat mir keine Summe genannt.
Aber es müssen so drei bis vier Millionen sein.“
    Wenn’s sein muß, kommt’s auch
mir auf eine Million mehr oder weniger nicht an!
    „Vielleicht hat man ihn
verschwinden lassen, damit die Kuchenstücke größer sind, hm?“ kombinierte der
Vorarbeiter.
    „Oh, das glaube ich nicht
    Ich lachte innerlich. Nein, das
glaubte ich wirklich nicht. „Obwohl“, überlegte ich laut, „heutzutage darf man
sich über nichts mehr wundern. Aber... Wie kommen Sie darauf, M’sieur Rieussec ? Ist Ihnen was
Besonderes aufgefallen?“
    „Nein, nichts. Das heißt... In
der letzten Zeit war er etwas komisch. Ich muß dazu sagen, daß ich ihn mehr
beobachtet habe als meine anderen Arbeiter. Ein ernsthafter Bursche, wollte
gerne mehr sein als nur Hilfsarbeiter. Seit einem Jahr hat er Mechanik gepaukt.
Hat schnell kapiert. Leider konnten wir ihn nicht in einer anderen Abteilung
unterbringen. Aber da war das letzte Wort noch nicht gesprochen.“
    „Etwas komisch, sagten Sie?“
    „Ja .“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Tja, schwer zu sagen. Er war
eben nicht mehr derselbe!“
    „Niedergeschlagen?“
    „Im Gegenteil, aufgekratzt. Als
wär irgendwas Besonderes im Busch. Aber ehrlich gesagt, der Gedanke kommt mir
erst jetzt. Sie wissen doch, wie das ist, oder?“
    Ich sagte, ja, ich wisse, wie
das ist. Er fuhr fort:
    Jedenfalls war er nicht mehr
derselbe. Da dachte ich gerade, vielleicht wußte er schon von der Erbschaft;
aber wenn er davon wußte, verstehe ich nicht, warum er Frau und Arbeit
sausenlassen sollte. Mit der Arbeit, das verstehe ich ja noch. Aber er hätte
doch zu Hause bleiben und auf den Notar warten können, meinen Sie nicht?“
    „Ja, das wär logischer, als
sich aus dem Staub zu machen.“
    „Und deswegen glaub ich auch
nicht, daß er sich aus dem Staub gemacht hat. Verstehen Sie, was ich damit
sagen will?“
    „Klar. Einen Schlag auf die
Rübe, einen Stein an den Hals und hopp !, ab in die
Seine. Steht ja oft genug in der Zeitung. Aber trotzdem... wenn es einem
Bekannten an den Kragen geht, ist man immer überrascht. Ob mit Demessy so was Ähnliches passiert ist? Ich glaube kaum.
Aber man kann nie wissen... Um auf konkretere Tatsachen zurückzukommen: Seit
wann hat er sich komisch benommen?“
    „In den letzten Tagen. Sagen
wir, seit einer Woche. Eineinhalb. Aber eigentlich hat das schon viel früher
angefangen...“
    „Nämlich?“
    „Ende Oktober.“
    Er verglich die Zeit seiner Uhr
mit der der Kontrolluhr in einer Ecke des Hofes.
    „Tja, dann haben Sie vielen
Dank, Monsieur Rieussec “, sagte ich. „Ich möchte Sie
nicht länger aufhalten. Nur noch eine Frage...“ Ich lächelte. „Wissen Sie, wir
Detektive haben so unsere eigenen Arbeitsmethoden. Manchmal völlig
unverständlich für Außenstehende. Sagen Sie: Hat Demessy Geld von Ihnen gepumpt?“
    „Nein. Nie.“
    „Sie mochten ihn, stimmt’s? Und
er wußte, daß Sie ihn mochten. Wenn er was gebraucht hätte, wär er doch sicher
zu Ihnen gekommen, nicht wahr?“
    „Ganz sicher.“
    „Aber er hat Sie nicht
angepumpt?“
    „Nein.“
    „Wen — außer Ihnen — hätte er
um Hilfe bitten können?“
    „Keine Ahnung. Kommt auf den
Betrag an. Unter Kollegen leiht man sich schon mal tausend Francs, zweitausend,
bis zum nächsten Zahltag, verstehen Sie?“
    „Wären aber sehr viel mehr als
zweitausend gewesen.“
    „Dann wüßte ich nicht... Aber
Sie haben sicher Grund, das zu fragen. Ich kann nur sagen, er hat die Arbeit
hingeschmissen, ohne sich den Restlohn abzuholen.
Egal, wo er ist, dort braucht er jedenfalls kein Geld.“
    „Stimmt genau“, sagte ich.
„Wenn er in Richtung Rouen schwimmt, hat er weder Durst noch Hunger. Halte ich
aber für ausgeschlossen. Ich glaube, das ist ‘n ganz gewöhnlicher
Ausreißversuch.“
    „Hoffentlich.“
    Er hatte mir geholfen, so gut
er konnte. Sehr freundlich. Aber mehr wußte er nicht. Wir gaben uns die Hand.
Bevor ich seine

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