Ein Clochard mit schlechten Karten
junge Frau an.
Schön genug war sie für Angebote, für ein- oder zweideutige.
„Ein armes Schwein“, schloß ihr
Mann.
Damit war wohl Demessy gemeint. Ich fragte ihn, ob er die beiden angepumpt
habe. So kackfrech war er wohl doch nicht. Ich wechselte noch ein paar Worte
mit dem netten Motorradpaar und fuhr dann wieder zur Place Balard .
Mürrisch, mit dickem, braunen
Schnurrbart und dichten Brauen, spülte der Wirt Gläser. Spülte und spülte.
Zwischen zwei Spülungen in der trüben Brühe wechselte er Einsilber mit einem jungen
Mädchen in der Küche an der Ostseite der Theke. Von Zeit zu Zeit tauchte das
Mädchen neben dem Wirt auf. Warum, war beim besten Willen nicht zu erkennen.
Aus dem „Saal“ hinter der halbhohen Flügeltür drang das Geräusch
zusammenstoßender Billardkugeln. Das Bistro war in schummrig gelbliches Licht
getaucht. Nicht grade umwerfend als Beleuchtung, aber immer noch besser als
diese Scheiß-Neonröhren, die jetzt überall hängen. Menschen und Dinge sehen aus
wie prima Leichen. Ich war der einzige Gast im Thekenraum. Neben der Heizung
fand ich ein warmes Plätzchen. Das Mädchen brachte mir einen Aperitif. Eine
dicke schöne Tigerkatze leistete mir Gesellschaft. Wie eine Sphinx saß sie auf
dem Brett der Heizung und döste. Ich wartete darauf, daß bei Citroën mit der
Feierabendsirene die Schraubenschlüssel fallengelassen würden. Der Rauch aus
meiner Pfeife stieg langsam an die Decke. Auch sie war gut eingeraucht .
Draußen regnete es noch immer.
Das Wasser lief an den Scheiben runter. Wässrige Schatten huschten vorbei:
eilige Passanten, die sich an die Häuserwände drückten. Vielleicht wollten sie
sich schützen, vielleicht wollten sie aber auch unter kaputten Dachrinnen
duschen. Die Lichter der Busverwaltung blinzelten von der anderen Seite des
Platzes herüber. Auf der Rue Leblanc fuhr ein Bus dicht an die Bordsteinkante.
Ich hörte, wie die Wasserfontänen auf den Bürgersteig platschten.
Zwei Arbeiter kamen rein. Sie
schüttelten sich und ihre Mützen und schimpften über das Scheißwetter. Dann
schüttelten sie dem patron die Hand. Besser
gesagt, das Handgelenk; der Kerl spülte inzwischen weiter. Die beiden
bestellten was zu trinken, verlangten Würfel und begannen eine Partie 421. Kurz
darauf kamen zwei weitere Gäste. Das junge Mädchen bezog hinter der Theke
Stellung, ein Lächeln auf den Lippen, die Ohren gespitzt, um Bestellungen
aufzunehmen. Mit einem tiefen Seufzer beendete der patron das Tauchbad . Wahrscheinlich war das so üblich hier.
Wenn die Gäste aus sauberen Gläsern trinken wollten, dann konnten sie sich
schon gefälligst selbst welche spülen.
Nach und nach füllte sich das
Bistro. Die Katze wurde von dem Proletarierlärm in ihrer Traumstunde gestört.
Sie öffnete ein Auge, dann beide, gähnte, streckte sich und schlich geschmeidig
hinaus, auf der Suche nach einem ruhigeren Plätzchen.
Ich hatte dem patron und der Serviererin meinen Namen genannt. Ich
kannte die drei Arbeiter von Citroën nicht, und sie kannten mich nicht. Wenn
sie an der Theke nach mir fragten, würde der Wirt sie an meinen Tisch schicken.
Aber bis jetzt hatte niemand nach mir gefragt. Vom Quai de Javel bis zur Place Balard war es immerhin ein ganzes Ende.
Vielleicht hatten meine Metallarbeiter keine Lust, durch diesen kalten Regen zu
gehen.
Eine Gruppe von vier Männern
kam herein und brachte feuchte Luft mit. Einer von ihnen, ein Nordafrikaner,
schien nicht zu ihnen zu gehören. Er suchte sich alleine einen Platz an der
Theke, machte sich ganz klein und bestellte einen Kaffee. Die anderen drei warfen
als erstes einen Blick in die Runde. Ich war der einzige, der an einem Tisch
saß. Und wenn man wartet, sieht man aus wie einer, der wartet, ob man will oder
nicht. Der Jüngste von ihnen, ein großer Hagerer mit einer amerikanischen
Schirmmütze, kam an meinen Tisch.
„’ tschuldigung , M’sieur “, sagte er und tippte mit dem Finger an seine
nasse Mütze. „Sind Sie vielleicht Nestor Burma, von dem unser Vorarbeiter
erzählt hat?“
„Bin ich“, antwortete ich.
„Dann sind Sie wahrscheinlich Marchand , Dutaillis und Bouscat , stimmt’s?“
Jetzt kamen auch die beiden
anderen.
„Stimmt.“
„Kollegen und Freunde von Demessy ?“
„Genau.“
Wir gaben uns die Hand. Bouscat war der mit der Ami-Mütze. Dutaillis ,
etwas älter und verheiratet, trug einen Blouson und einen Schlapphut. Marchand war etwa derselbe Jahrgang wie Dutaillis und sah aus wie Isidore Flapi
Weitere Kostenlose Bücher