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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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ich vor.
    Wir fuhren in meinem Wagen zur
Seine. Ich konnte nicht anders, ich mußte einen Blick auf die Rue Payen werfen. Sie lag ruhig und verlassen da, wie immer.
Das nordafrikanische Bistrotel stand noch am selben
Platz. Es war nichts Außergewöhnliches zu bemerken. In meiner Hosentasche
fühlte ich den Schlüssel zu Demessys Totenzimmer. Ob
seine Leiche immer noch dort herumlag? Am besten, ich vergewisserte mich...
wessen auch immer. Sehr verführerisch, solch ein Schlüssel. Und doch... Einer
gewissen Frau aus Blaubart hat er nicht besonders viel Glück gebracht.
Als wir langsam an dem Etablissement vorbeirollten, kam gerade ein Clochard
raus, ein Europäer. Hinkend entfernte er sich in Richtung Seineufer, ewiger
Zufluchtsort der Herumirrenden.
    Wenig später parkte ich meinen Dugat am Ende der Rue Payen . Dann
schlenderten auch wir am Port de Javel entlang. Es
wäre eine Sünde gewesen, sich auch nur einen einzigen Sonnenstrahl entgehen zu
lassen. Über das glitzernde Wasser schob sich ein Schiff, gezogen von einem
Schlepper mit rotschwarzem Schornstein. Das Kielwasser klatschte gegen einen
festgemachten Frachtkahn, auf dessen Rumpf ein Name stand wie... ja, genau! Sah
aus wie holländisch oder dänisch oder auch norwegisch mit schwedischem Akzent.
Das geht bei mir ziemlich durcheinander. Nicht nur bei mir. Ich wußte auch
nicht, in welcher Sprache der Hund auf dem Kahn bellte. Aber eins verstand ich,
auch ohne Wörterbuch oder Dolmetscher: er gehörte zu der unverwechselbaren
Rasse der bissigen Hunde. Etwas weiter am Ufer stapelten sich Berge von Eisen.
Ein Arbeiter mit einem Schneidbrenner schnitt Blechplatten. Von Lastwagen wurde
Alteisen entladen. Ein paar Meter weiter röhrte eine Blechwalze auf einer
Plattform. Araber fütterten die Höllenmaschine mit glänzendem oder verrostetem
Schrott, der dann am anderen Ende in hübschen, kleinen Päckchen wieder rauskam
und ordentlich gestapelt wurde.
    Wir schlenderten denselben Weg
wieder zurück. Plötzlich stellte Jeanne bewundernd fest:
    „Manche haben’s wirklich dicke,
hm? Sehen Sie mal das Auto da. Gehört bestimmt keinem Berufsangler...“
    Sie zeigte auf einen
amerikanischen Schlitten. Die Chromteile blitzten in der Sonne. Die zweifarbige
Sonderlackierung sah aus wie Vanilleeis. Trotzdem, ein heißer Schlitten. Er
parkte direkt neben dem Frachtkahn mit dem kläffenden Köter. Der war übrigens
im Augenblick weder zu sehen noch zu hören. Zwei Männer kamen aus der Kajüte.
Der eine sah aus wie’n Seemann, der andere war aufs
feinste gekleidet, untersetzt, mit wichtiger Miene. Die beiden verabschiedeten
sich ohne Handschlag. Der Seemann verschwand wieder im Bauch seines
schwimmenden Hauses. Sofort darauf tobte der bellende Hund wieder über das
Deck. Der vornehme Herr stieg in die vornehme Limousine.
    „Sie sind so komisch“, sagte
Jeanne.
    „Ich? Hm... Ja, vielleicht...“
    Mir war so, als hätte ich den
zweifarbigen Schlitten schon mal gesehen. Plötzlich sah ich ihn wieder in der
Umgebung, in der ich ihn zum ersten Mal bemerkt hatte. Bevor ich zu Demessys Höhle gegangen war, hatte ich direkt hinter ihm
geparkt. Und als ich von meiner Expedition zurückgekehrt war, hatte der
Luxusschlitten nicht mehr dort gestanden.
    Ein Luxusschlitten...
    Eine Frau, die ein teures
Parfüm mit Luxusetui benutzt...
    Ein Luxusschlitten, der in der
Nähe parkt, als die Luxusfrau bei Demessy ist...
    ...und der nicht mehr dort
parkt, als auch die Frau weg ist...
    Und dieser feine Wagen mit dem
feinen Herrn am Steuer fuhr jetzt los, über den Pont Mirabeau, hinein in den
dichten Verkehr.
    Instinktiv hatte ich mir das
Kennzeichen gemerkt.
    Vielleicht war das eine Spur.

11
     
    Als der Wecker am nächsten
Morgen um neun klingelte, war ich schon eine Weile auf den Beinen. Bei der
Polizeipräfektur, Abteilung KFZ-Zulassungen, habe ich einen netten, diskreten
Bekannten, der mir immer gern eine Gefälligkeit erweist. Als ich am Vorabend
eine mögliche Verbindung zwischen dem Luxusschlitten und Demessys Mörderin hergestellt hatte, hatte ich den Beamten sofort von einer Telefonzelle
aus anzurufen versucht. Aber leider war er ausgerechnet an dem Tag etwas früher
nach Hause gegangen. Wenn Sie morgen nochmal anrufen wollen, so gegen neun...
Ich wollte. Gerade schlug es überall in Paris neun Uhr. Ob die Stunde glücklich
war oder nicht, war mir scheißegal. Ich versuchte mein Glück, hatte aber zum zweitenmal Pech. Mein Bekannter hatte sich krankgemeldet.
Wenn Sie morgen

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