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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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ja, es sei denn, Laurédants Frau war nicht die von Demessy . Ich meine die, die
ihn in dem Loch in Ahmeds Hotel um die Ecke gebracht hatte. Ich lachte still in
mich hinein. Die Frau von Demessy ! So’n Quatsch... Unsere Sprache, die Quelle aller Mißverständnisse ... Plötzlich hörte ich auf zu lachen. Eine
Frau öffnete die Tür des Luxusschlittens. Ein tolles Weib, groß, schlank,
elegant, stolz und alles, was dazugehört, die gesamte Palette. Als sie sich
hinters Steuer setzte, schimmerte etwas nackte Haut über hautfarbenen Nylons. Die Wagentür schlug zu, und ab ging die Fahrt.
    Zwei weniger eins ist eins. Wär
mir zwar lieber gewesen, Gabriel Laurédant hätte ‘ne
kleine Spritztour unternommen und seine Frau zurück- und mir überlassen. Aber
egal. Irgendwann würde sich schon noch die passende Gelegenheit ergeben.
    Ich verließ das Bistro und
strich eine Stunde lang um das Haus, das mich so brennend interessierte. Von
dem Volksfest unter dem Metro-Viadukt, in Sevres-Lecourbe ,
drang hin und wieder Musik herüber. Ich ging zurück zu meinem Wachposten ins
Bistro. Die unterschiedlichsten Gedanken halfen mir, die Wartezeit
rumzukriegen. Außerdem hatte ich’s sowieso nicht eilig.
    Nach rund einer Stunde rollte
der elegante Wagen wieder an seinen alten Platz. Die ebenso elegante Frau stieg
aus. Das Schauspiel mit den Nylons schenkte ich mir diesmal. Dafür sah ich mir
ihr Gesicht an. Ein sehr hübsches Gesicht, dem die Jahre nicht anzusehen waren.
Lässig ging die Frau auf ihren hohen Absätzen zu ihrem Haus. Auf halbem Wege
kam ihr ein Mann entgegen, untersetzt, mit wichtiger Miene, in einem Mantel
allerneuester Mode: der Kerl vom Port de Javel . Aber
das war nun keine Überraschung mehr. Die beiden blieben voreinander stehen und
wechselten ein paar passende Worte. Dann ging die Frau ins Haus, und der Mann
nahm ihren Platz hinterm Steuer ein. Er war so um die fünfzig, mit tiefer Stirn
unter einem runden Hut, hartem, zerfurchtem Gesicht und hervorspringendem Kinn.
Er nahm Kurs auf das, was er zu tun hatte.
    Was ich zu tun hatte, war klar:
ich mußte die Frau interviewen. Ich trat in das Haus, passierte ungehindert die Conciergesloge und nahm den Aufzug. Der vertraute
Duft eines wohlbekannten Parfüms stieg mir in die Nase.
    Ein junges Dienstmädchen
öffnete mir die Tür. Ich gab ihr einen Briefumschlag mit meiner Visitenkarte
und mit ein paar freundlichen Worten. Daraufhin durfte ich im Vorzimmer warten,
bis sie den Umschlag übergeben hatte und zurückkam. Jetzt führte mich das
Mädchen in einen elegant möblierten Salon und ließ mich mit der parfümierten
Frau alleine, die neben einem antiken Tisch stand.
    Sie konnte kaum älter als vier-
oder fünfunddreißig sein. Gut erhalten, bestimmt sportlich. Ihre
kurzgeschnittenen Haare waren kastanienbraun gefärbt. Ein zarter Mund und zwei
furchtbar schöne, blaue Augen unterstrichen die Schönheit eines Gesichts, das
sogar eine Spur Würde verriet. Sie trug ein elegantes Wollkleid mit einem
schrägen Dekollete , sehr kunstvoll. Ein schlichtes
Kleid, von jener Schlichtheit, deren Preis und Geheimnis nur die großen Pariser
Couturiers kennen.
    Die Frau hielt meine Karte in
ihren schlanken Fingern mit den rotlackierten Nägeln. Spielte damit, als sei
sie nervös und beunruhigt. Sie wußte nicht, wie sie das Gespräch einleiten
sollte. Vielleicht wartete sie darauf, daß mir was Passendes einfiel. Na ja,
der Frau konnte geholfen werden...
    Ich zog meinen Hut und sagte
freundlich lächelnd:
    „Guten Tag, Madame Demessy .“

12
     
    Die Begrüßung traf sie hart.
Sie taumelte, als hätte ich ihr einen Schlag versetzt. Dann sank sie in den
nächstbesten Sessel und schlug die Hände vors Gesicht. Meine Visitenkarte fiel
auf den kostbaren Teppich.
    „O Gott!“ stöhnte sie. „Wie
soll das noch enden?“
    Obwohl sie nur flüsterte, wie
erstickt, konnte man einen leichten ausländischen Akzent raushören. Vielleicht
machte das die Erregung.
    „Ich würde viel lieber wissen,
wie’s angefangen hat“, entgegnete ich.
    Ich bückte mich, hob meine
Karte auf und steckte sie ein. Dann packte ich die junge Frau an den
Handgelenken und zwang sie, mich anzusehen. In ihren blauen Augen stand die
nackte Angst.
    „Erinnern Sie sich nicht an
mich, Wanda?“ fragte ich. „Sieh an, sogar Ihr Vorname ist mir gerade wieder
eingefallen! Wanda! Sie sind immer noch genauso schön. Verstehe, daß man Sie
nur schwer vergessen kann. Aber so stand’s doch im
Vertrag. Eine der

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