Ein Clochard mit schlechten Karten
glauben!“
beharrte sie.
„Ich kann nicht sagen, daß mir
das besonders gut gefällt. Sie als Mörderin... Das wär nämlich die einfachste
Lösung, aber... na ja...“
„Ich hab ihn nicht getötet.“
„Aber Sie wollten es tun. Und
kriminell sind Sie auch schon, Sie Bigamistin. Sicher, zwischen Bigamie und
Mord besteht ein gewisser Unterschied. Aber Sie geben selbst zu, daß Sie ihn
umbringen wollten. Offensichtlich haben Sie von Erpressungen noch nicht genug.
Sonst würden Sie nicht daran denken, Demessys Nachfolger zu bezahlen.“
Ihre Augen sprachen Bände.
„Ach so“, fuhr ich fort. „Er
wollte mit Ihnen schlafen! Sein Eherecht einklagen, sozusagen. Zehn Jahre nach
der Trauung...“
Sie senkte den Kopf.
„Ja“, gab sie zu. „In dieser
dreckigen Absteige. Wohl um mich zu demütigen... Sehr raffiniert!“
„Nein! Um sich an seinem
Scheißleben zu rächen. War ‘n armer Kerl. Unzufrieden und unbefriedigt. Davon
gibt’s Millionen. Zum Glück sind nicht alle so... raffiniert. Und zum Glück
nimmt das nicht immer so ein tragisches Ende. Sagen Sie: Wenn er sich einen
weniger beschissenen Ort ausgesucht hätte, wären Sie...?“
„Weiß ich nicht. Ich glaub’s nicht. Ich fand ihn widerlich.“
„Sie wären nicht die erste Frau
gewesen, die einen Liebhaber hat. Aber Sie wären die erste gewesen — obwohl ich
mir da nicht sicher bin! — , die ihren Liebhaber
gleichzeitig als Ehemann hätte vorstellen können, ohne zu lügen.“
„Mir ist nicht zum Lachen“,
sagte sie.
„Mir auch nicht. Hoffentlich
ist Ihnen auch nicht zum Lügen zumute, Wanda. Sie müssen mir alles erzählen.“
„Muß das sein?“ fragte sie
müde.
„Ja. Nur so können Sie mich von
Ihrer Unschuld überzeugen.“
„Na gut. Also, ich hab ihn bei
dieser Hellseherin getroffen, Madame Joséphine.“
„So um den 15. Oktober?“
„Ja. Hab mich gefragt, was er
da wollte „Und Sie? Was wollten Sie bei Joséphine?“
„Das war die größte Dummheit
meines Lebens“, seufzte sie. „Mein Mann hatte von ihr gesprochen...“
„Ach ja, Ihr Mann“, unterbrach
ich sie lächelnd. „Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen eine banale Frage stelle,
wie in schlechten Komödien: Kann er eventuell überraschend zurückkommen? Mir
fällt nämlich keine passende Erklärung für meine Anwesenheit ein...“
„Er wird erst sehr spät nach
Hause kommen.“
„Gut. Weiter.“
„Ich ging also zu dieser Madame
Joséphine. Hätte ich mir doch vorher ein Bein gebrochen! Demessy hat mich wohl im Wartezimmer gesehen. Mir war er nicht aufgefallen. Er hat’s
mir später erzählt. Ich war blond, damals, als wir ,geheiratet “
haben. Trotzdem hat er mich wiedererkannt.“
„Wahrscheinlich hat er nie
aufgehört, an Sie zu denken. Ihr Bild ist ihm nicht aus dem Kopf gegangen. Bei
der Heirat hat er sich damit begnügt, das Geld zu kassieren. So konnte er noch
mal von vorne beginnen. Aber nach ‘ner Weile hat er sich an gewisse... äh...
Rechte erinnert und bedauert, sie aufgegeben zu haben. Hat immer an das
Paradies gedacht, das ihm entgangen war. Hat er Sie bei Joséphine
angesprochen?“
„Nein. Er tauchte ein paar Tage
später hier auf. Wie er an meine Adresse gekommen ist, weiß ich nicht.
Vielleicht hat er das Kennzeichen meines Wagens gesehen. Jedenfalls tauchte er
hier auf und drohte mir, alles zu verraten... meinem Mann und den Behörden. Ich
hatte Angst. Ich wollte meinen Mann nicht verlieren und bot Demessy Geld an. Das kam ihm wohl sehr gelegen, denn er brauchte grade welches.
Dringend, wie er sagte. Er sei drauf und dran, einen Mord zu begehen; aber wenn
er hin und wieder eine bestimmte Summe bekommen könne, werde es auch ohne Mord gehen.“
Ich nickte.
„Ja“, sagte ich. „Er sprach von
einem Mord an jemandem, der noch gar nicht geboren war... bis heute noch nicht:
das Kind, das seine Frau erwartet. Mit mehr als zwanzigtausend Francs hätte
er’s großziehen können.“
„Schrecklich“, flüsterte Wanda.
„So ist das Leben. Ein
schrecklicher Witz. Also, Sie haben ihm Geld gegeben, und er ist von Zeit zu
Zeit hierhergekommen?“
„Ja. Sein Verhalten wurde immer
seltsamer. Er sah mich immer herausfordernder an. Und eines Tages war’s dann
soweit: Er erklärte mir ganz offen, daß er Lust auf mich habe. Schließlich
seien wir Mann und Frau. Beim ersten Mal konnte ich mich noch rausreden, aber
dann... Er gab mir einen Schlüssel, einen ganz neuen. Er nannte mir Tag,
Uhrzeit, Straße, Hausnummer, Zimmernummer. Ich
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