Ein cooler Typ aus der Hölle
Muss ihn anrufen. Aber ich habe keinen Pfennig und die Telefonkarte ist
auch in der Tasche.
An der Ecke Limmwick
Straße/Feilner Weg stieg sie aus.
Tat’s aus einem Impuls heraus,
weil vor einer winzigen — jetzt verschneiten — Grünanlage eine Telefonzelle
war, in der jemand stand mit dem Hörer am Ohr und dem Rücken zur Tür.
Als Katja im Freien war und der
Bus abfuhr, wurde ihr bewusst, wie nahe sie an der Prestel Straße war, an
Martin Mcfish’ Adresse. Der Bus war einen Bogen gefahren, würde sich erst jetzt
in andere Richtung entfernen. Fünf Gehminuten zu dem irischen Gärtner. Katja
schauderte.
Sie stellte sich vor die
Telefonzelle. Hier konnte man nur mit Karte telefonieren. Ein Mann stand hinter
der Glastür. Er schien lediglich zu lauschen, jedenfalls war seine Stimme nicht
zu hören. Er war mittelgroß, wuchtig wie ein Container und wetterfest gekleidet
in eine dunkle gewachste Jacke mit hochgeklapptem Lammfellkragen. Der Schädel
wirkte unangenehm auf Katja, nämlich bullig über einem Specknacken, mit einem
dachartigen Stoppelschnitt in schmutzigem Blond. Kahlrasur an den Seiten und
hinten. Pickel auf der Haut.
Jetzt hatte der Mann sein
Gespräch beendet, drehte sich um und kam heraus.
Ein grobes Gesicht. Niedrige
Stirn, ausgeprägte Kauwerkzeuge. Ein säuerlicher Schweißgeruch wehte Katja
entgegen.
Fast wäre sie zurückgeschreckt.
Für einen Moment verlor sie den Mut. Jeden andern hätte sie gern gefragt, den
hier nicht.
Trotzdem!
„Verzeihung!“ Ihr zartes
Gesicht lächelte zu ihm auf. „Ich habe leider meine Karte zu Hause vergessen.
Aber ich muss dringend anrufen. Es wäre wahnsinnig nett, wenn Sie mir aushelfen
könnten. Es ist nur ein Ortsgespräch.“
Er starrte sie an, grinste dann
— und roch aus dem Mund nach Schnaps.
„Einfach so aushelfen,
Heideröschen? Wer macht denn sowas noch — heutzutage?! Da wäscht doch eine Hand
die andere! Was kriege ich denn?“
Sie konnte nicht sofort
antworten. Ihre Knie versagten, wackelten. Jetzt ein Windhauch, fuhr es durch
den Kopf, und ich falle um. Der Puls, noch aufgeregt von vorhin, begann zu
rasen.
Jürgen! Das war dieser Jürgen.
Sie erkannte seine Stimme. Und wusste jetzt auch, dass der Schnapsgeruch von
Whisky herrührte.
Offenbar wurde ihr Gesicht
kreideweiß, denn seine Schweinsäuglein schauten verblüfft.
„Na, so war das doch nicht
gemeint, Heideröschen. Sollst mich ja nicht heiraten, hahahah! Nur ein kleiner
Scherz mit ‘nem Körnchen Wahrheit.“
„Ich... ich... ja.“ Sie
schluckte. „Entschuldigung! Aber ich komme gerade von meinem Freund und... und
bin verärgert.“
„Lass ihn laufen, den Blödmann!
Also, was kriege ich?“
„Ich... ich kann Ihnen nichts
geben. Ich möchte nur ein Ortsgespräch führen.“
„Ein Bussi muss drin sein,
Heideröschen.“
„Ich... küsse niemanden, den
ich nicht kenne.“
Sie zitterte. Angstvoll blickte
sie die Straße entlang. Niemand war zu sehen, die Gegend wie ausgestorben.
Würde dieser Verbrecher auch
noch aufdringlich werden, handgreiflich, gewalttätig?
„Dein Freund, Heideröschen, ist
sicherlich attraktiver als ich.“
Sie schwieg.
Der Mann grinste, wobei er viel
Zahnfleisch zeigte, und zog eine Telefonkarte aus der Tasche.
„Die kriegst du. Bin ja ein
netter Kerl. Aber du musst mir einmal über den Kopf streichen. Klar?“
Ich muss es ins Lächerliche
ziehen, dachte sie — und ihre Seele schlotterte.
„Das mache ich aber sonst nur
mit meinem Hund. Heißen Sie zufällig Hasso, Arco oder Maneater (Menschenfresser)?“
„Hast du einen Hund?“
„Ja.“
„’nen Dackel, was?“
Beinahe hätte sie von Luna
gesprochen, ihrer weißen Wölfin. Aber ein unerklärlicher Instinkt hielt Katja
davon ab. Vielleicht verstand ihr Unterbewusstsein es auch als Drohgebärde, als
sie sich zu der Lüge von einem Rüden entschloss und einer — völlig zu Unrecht —
verrufenen Rasse.
„Nein. Ich habe einen ziemlich
gefährlichen Rottweiler. Aber mir gehorcht Rowdy aufs Wort. Er wiegt 50 Kilo.
Nur Muskeln.“
„Wie bei mir.“ Er hielt ihr die
Karte hin. „Also, krieg ich die Streicheleinheit?“
Für Martin Mcfish, dachte sie —
und fuhr dem Kerl rasch mit flacher Hand über den Stoppelschnitt, verzweifelt
bemüht, nicht angeekelt zu wirken.
Seine Bürstenfrisur fühlte sich
fettig an. Katja widerstand dem Impuls, die Hand an der Jacke abzureiben.
Na, also.“
Grinsend überließ er ihr die
Telefonkarte.
„Ich brauche sie nur für
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