Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
unterschiedliche Kleidungsstücke mitgebracht wurden (das war ja auch die Aufgabe, aber darum geht es gar nicht, wenn man den aktuellen Jargon in Sachen Erziehung diskutieren will) und die Schüler hervorragend in Gruppen zusammengearbeitet haben. »Alle haben sich aktiv in den Unterricht eingebracht und sich engagiert«, höre ich mich sagen. »Engagiert« ist eines von Curtis’ Lieblingsworten, die er derzeit oft und gern zitiert. Doch schon wünschte ich, ich hätte es besser nicht gesagt.
»Na ja, das Maß des Engagements hängt bekanntermaßen doch wesentlich davon ab, wo man sitzt. Wussten Sie, dass Jon – so heißt der Junge, glaube ich – mit seiner Schere eine Szene aus Psycho nachgespielt hat, während Sie der Klasse den Rücken zugewandt haben, um an die Tafel zu schreiben?« Fast hätte ich ihm darauf geantwortet, dass ich mir demnächst Augen am Hinterkopf wachsen lasse, schlucke die Bemerkung dann aber doch lieber hinunter. Ich komme mir langsam vor, als sei ich Kandidat bei der Versteckten Kamera . »Was Jim betrifft, so hat er hervorragende Arbeit geleistet. Ihr unterstützender Tutor ist zu Jon und seinen Freunden gegangen und hat mit ihnen gearbeitet.« Wenn du die Klasse wirklich kennen würdest, wüsstest du, dass Jon keine Freunde hat. »Er hat sich zwischen Jon und diesen Jungen mit dem raspelkurzen Haar gesetzt und mit ihnen die korrekten Antworten entwickelt. In ihm haben Sie eine großartige Hilfe.« Ich kann nicht fassen, was ich da gerade höre. Curtis ist in meiner Wertschätzung auf einen absoluten Tiefpunkt der Skala herabgesunken.
»Dann müssen wir noch über den Lautstärkepegel sprechen. Ein Radio! Was soll da als Nächstes noch alles kommen?«, fragt er und haut mit seiner pummeligen Hand auf den Schreibtisch, als sei ein Radio eine gesetzwidrige Straftat.
»In Designstudios ist es völlig normal, Radio zu hören. Die Musik sorgt für ein kreatives Umfeld«, erkläre ich und bin mit meinen Abwehrargumenten vollauf zufrieden.
»Schon, aber wir sind eine Bildungseinrichtung.«
»Stimmt, und ich unterrichte ein berufsvorbereitendes Seminar, was bedeutet, dass sich der Kurs auf einem anderen Level befindet als zum Beispiel ein Abiturkurs«, entgegne ich und sehe, wie Mrs Parker mich anstarrt.
»Und dann sind Sie vom Unterrichtsplan abgewichen. Wenn die gesamte Gruppe abweichen muss, dann ist das meiner Meinung nach in Ordnung.«
Das überrascht mich jetzt. Bevor ich antworten kann, dass meiner Meinung nach die meisten Schüler diese Abweichung benötigt hätten, fährt Curtis mit einem verständnisvollen Lächeln fort, das leider sein dreifaches Doppelkinn offenbart. »Insgesamt wirkte der Unterricht jedoch überhastet.«
An dieser Stelle gebe ich auf. Welchen Sinn hat es denn da noch, ihm zu erklären, dass es in der Designbranche zwingend erforderlich ist, sich mit der Arbeit an Deadlines zu orientieren? Bei Entwürfen gibt es nur wenige Regeln – mit Ausnahme der Tatsache, dass man einen Kunden für immer verliert, wenn man die Deadline nicht einhält. Doch Curtis hat sich schon längst eine Meinung gebildet. Was nützt es da noch, sich darüber aufzuregen?
Jetzt mischt sich Mrs Parker ein. »Die Zahlen stimmten jedoch nicht.«
Ich bin nicht sicher, worauf sie hinauswill. Meint sie die kleinen Rechnereien, als die Schüler voneinander Maß genommen haben? Oder will sie damit auf meine dürftigen Rechenfähigkeiten anspielen?
»Sie hatten einen Schüler zu viel in der Klasse«, erklärt sie beinahe triumphierend, als habe sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht, andere bei Fehlern zu ertappen.
»Womit die Teilnahmerate in meinem Kurs bei über hundert Prozent liegt. Das ist doch wohl vorbildlich, oder?« Mittlerweile ist mir alles egal. »Die Namenslisten werden vom Verwaltungsbüro erstellt, nicht von mir«, fahre ich fort und werfe Curtis einen finsteren Blick zu. Im Geiste entwerfe ich bereits mein Kündigungsschreiben, während Mrs Parker sich etwas notiert. Ich kann diesen Job nicht mehr verrichten.
Curtis hüstelt theatralisch.
Das war’s, denke ich, jetzt kommt das Endergebnis. Das ist ja wohl schlimmer als bei X-Factor !
»Ich möchte Ihnen gerne eine Drei geben für zufriedenstellende Arbeit. Ich kann jedoch nicht behaupten, dass das Verhalten der Schüler gut war. Doch insgesamt war es eben zufrieden stellend.« Meine Laune sinkt in den Keller. Das bedeutet, dass ich im nächsten Schuljahr wieder unter Beobachtung stehen werde. »Doch angesichts Ihrer
Weitere Kostenlose Bücher