Ein Dämon dreht durch
einiges besser.
»Bist du fertig?«
Kalvin schwebte noch immer geduldig mit verschränkten Armen vor mir. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, aber seine Stimme wirkte irgendwie angespannt.
»Ich schätze schon. Tut mir leid, wenn ich so lange Monologe geführt habe.«
»Kein Problem. Solange ich auch mal den Ball bekomme.«
»Den Ball?« »Eine Redensart«, winkte er ab. »In diesem Fall bedeutet es, daß ich auch mal an die Reihe komme, zu sprechen, und daß du dann zuhörst. Ich habe es ja schon vorher versucht, aber offensichtlich werden wir jedesmal unterbrochen, wenn ich damit anfange ... oder du besäufst dich.«
Bei der Erinnerung daran schnitt ich eine Grimasse.
»Ich wollte mich nicht besaufen. Es ist nur, daß ich nie...«
»He! Hast du es schon wieder vergessen? Jetzt bin ich an der Reihe«, unterbrach mich der Djinn. »Ich wollte nur sagen ... einen Augenblick mal.«
Er machte eine ausladende Geste mit der Hand und ... wuchs! Plötzlich war er genauso groß wie ich.
»So, das ist schon besser!« sagte er und klopfte sich die Hände. »Jetzt ist es schon etwas schwieriger, mich zu übersehen.«
Eigentlich wollte ich ihn schon nach einer genaueren Übersicht über seine angeblich so >geringfügigen< Fähigkeiten fragen, aber sein letzter Kommentar hatte mich getroffen.
»Es tut mir leid, Kalvin. Ich wollte nicht...«
»Heb dir das auf!« befahl er mit einem Winken. »Jetzt bin ich erst einmal dran. Du wirst später noch genug Zeit haben, in Selbstmitleid zu zerfließen. Und wenn nicht, bin ich sicher, daß du dir die Zeit schon nehmen wirst.«
Das klang zwar ziemlich bösartig, aber ich gab nach und bedeutete ihm fortzufahren.
»Also gut«, sagte er, »zum ersten, zum zweiten und zum dritten hast du unrecht, Skeeve. Es fällt mir schwer, zu glauben, daß ein Bursche, der das Herz so sehr auf dem rechten Fleck hat, gleichzeitig so sehr im Unrecht sein kann.«
Mir fiel ein, daß ich gerade eben selbst zugegeben hatte, daß mein Vertrauen in mein Urteilsvermögen im Augenblick auf dem Tiefpunkt angelangt war. Aber ich sprach es nicht aus. Kalvin hatte gesagt, daß er Gelegenheit zum Aussprechen haben wollte, und so würde ich mir größte Mühe geben, ihn nicht zu unterbrechen. Soviel war ich ihm schuldig.
»Seit wir uns kennengelernt haben, redest du über Recht und Unrecht, als wären das absolute Werte. Wenn es nach dir geht, ist alles entweder richtig oder falsch ... Punkt. >War Aahz im Recht, zu gehen?< ... Bist du im Unrecht, weil du versuchst, ihn zurückzuholen? ... Nun, mein junger Freund, so einfach ist das Leben aber nicht. Du bist nicht nur alt genug, um das zu wissen, du solltest es auch langsam einmal lernen, bevor du dich und deine ganze Umgebung in den Wahnsinn treibst!«
Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen schwebte er nun vor mir in der Luft auf und ab.
»Für dich wie für jeden anderen ist es durchaus möglich, daß du zwar nicht im Recht sein kannst, aber auch deshalb noch lange nicht im Unrecht, so wie du vom geschäftlichen Standpunkt aus mal recht haben kannst, obwohl es vom menschlichen falsch wäre. Die Welten sind kompliziert, und Leute sind nichts als ein hoffnungsloses Gewirr von Widersprüchen. Die Bedingungen ändern sich nicht nur von Situation zu Situation und von einer Person zur anderen, sondern auch noch von Augenblick zu Augenblick. Sich selbst vorzumachen, daß es irgendeinen Hauptschlüssel zu Richtig und Falsch gäbe, ist lächerlich, und was noch schlimmer ist, es ist auch gefährlich, weil du dich nämlich immer inkompetent und inadäquat fühlst, sobald er sich dir entzieht.«
Obwohl ich Schwierigkeiten hatte zu verstehen, was er meinte, rief dieser letzte Satz doch einiges in mir wach. Denn er beschrieb mit ungemütlicher Präzision, wie ich mich meistens fühlte! Ich versuchte genau zuzuhören.
»Du mußt dich einfach damit abfinden, daß das Leben kompliziert und oft frustrierend ist. Was für dich richtig ist, muß für Aahz noch lange nicht richtig sein. Es gibt sogar Zeiten, da es überhaupt keine richtige Antwort gibt ... Da gibt es nur eine Wahl zwischen unangenehmen und noch unangenehmeren Möglichkeiten. Erkenne es, und vergeude danach keine Zeit und Energie damit, darüber zu grübeln, warum dem so ist, oder dich darüber aufzuregen, daß alles so ungerecht ist, nimm es einfach hin.«
»Ich ... ich will’s versuchen«, sagte ich, »aber es ist nicht leicht.«
»Natürlich ist es nicht leicht!« konterte der Djinn.
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