Ein Dämon macht noch keinen Sommer
Glenda?«, erkundigte sich Aahz.
Glenda zuckte zusammen und stemmte sich auf die Beine, nur um sich gleich darauf erschöpft an die Wand zu lehnen.
»Ich schaffe es so weit, wie es nötig ist.«
Aahz nickte nur. »Dann los.«
Tanda hielt die Fackel, also trat ich an die Wand und drückte gegen die Stelle, an der sich die Geheimtür befinden sollte, und, Überraschung!, die Wand öffnete sich. Ich trat durch die Öffnung. Erst dachte ich, auf der anderen Seite wäre nichts und die Karte hätte uns in die Irre geführt. Dann erkannte ich, dass vor der Geheimtür ein schwerer Vorhang oder ein Wandteppich oder etwas in der Art hing.
Ich schlüpfte unter dem Stoff hindurch, direkt gefolgt von Tanda und der Fackel.
Allerdings brauchten wir im Augenblick kein Licht. Der Raum verfügte über zwei große, zwei Stockwerke hohe Fenster, durch die natürliches Tageslicht hereindrang. Die Berge in der Ferne waren wie alte Freunde, die nach mir riefen. Ich wünschte mir so sehr, da draußen zu sein und nicht hier drin. Soweit ich es beurteilen konnte, würde die Sonne innerhalb der nächsten Stunde auf der anderen Seite des Palastes untergehen. Wir mussten uns beeilen, wenn wir die goldene Kuh finden wollten, bevor sie sich in einen goldenen Vampir verwandelte.
»Puh«, machte Tanda, als sie die mit goldenen Intarsien geschmückte Wandtäfelung und die goldene Decke des gewaltigen Ballsaals beäugte.
Der Boden bestand aus poliertem weißen Stein, durch den sich eine goldene Maserung zog. In meinen wildesten Träumen hätte ich mir keinen so prachtvollen, so fantastischen Ballsaal vorstellen können.
Aahz und Glenda traten neben uns in den großen Saal. Ich wette, dort hätten mindestens fünfhundert Leute bequem tanzen können, ohne einander in die Quere zu kommen.
»Ich erinnere mich an diesen Raum«, sagte Glenda leise. »Ich war letzte Nacht schon einmal hier.«
Der Gedanke, dass genau hier ein ganzes Rudel nackter Vampire an ihrem Hals herumgekaut hatte, jagte mir einen Schauer über den Leib.
»Vielleicht sollten wir lieber nicht darauf warten, dass die Musik zu spielen anfängt«, bemerkte ich.
Ich schlug die Karte auf und studierte sie eingehend. Allein der Schritt durch die Geheimtür hatte gereicht, dass sich die Karte erneut verändert hatte. Nun führte der Weg hinaus nicht über die gegenüberliegende Seite des Raumes, sondern über eine Art Bühne, die sich an der rückwärtigen Mauer gegenüber den Fenstern befand.
»Hier entlang«, sagte ich und ging über eine kleine Treppe voran zu der aus Holz errichteten Bühne.
Auf der Rückseite der Bühne war außer Holzleisten nichts zu erkennen. Ich zog erneut die Karte zu Rate und ging in die scheinbar richtige Richtung. Unterwegs faltete ich die Karte zusammen und steckte sie ein. Nach sekundenlanger Suche fand ich die losen Bretter, zog sie zur Seite, und wir tauschten den lichten Saal gegen eine finstere Umgebung ein, die ich für einen weiteren unbeleuchteten Gang hielt.
Tanda war direkt hinter mir und hielt die Fackel so, dass wir beide sehen konnten, was vor uns lag.
Bei dem Anblick erstarrte ich zu einer Statue.
»Huh, Ich glaub', mich tritt 'ne Kuh!«, sagte Tanda.
Vor uns lag kein Gang, sondern ein ganzer Raum mit einer niedrigen Decke. Etliche Regale säumten die Wände. Weitere zogen sich quer durch den Raum, alle dicht bepackt mit Schädeln.
Kuhschädeln.
Tausende und Abertausende weißer Kuhschädel mit leeren Augenhöhlen.
Aahz zog hinter uns die Bretter wieder zurück an ihren Platz, drehte sich um und blieb wie vom Donner gerührt neben mir stehen. Ich war erleichtert festzustellen, dass es mir nicht allein so ergangen war. Außerdem war es beruhigend zu sehen, dass sogar mein Mentor schockiert reagieren konnte.
»Möchte mir vielleicht jemand erklären, was das ist?«, fragte Glenda, und ihre Stimme hallte durch die Überreste einer ganzen Herde toter Kühe.
»Vielleicht die Generationen der letzten tausend Jahre der Herrscherfamilie«, mutmaßte Aahz. »Seht euch den an.«
Er deutete auf einen Schädel, der, kunstvoll mit Juwelen geschmückt, an der Wand hing.
Ich wusste, dass das nicht ganz den Punkt traf. Ich konnte es durch die Energie dieses Ortes fühlen. Neugierig sah ich mich zu Tanda um.
»Fühlst du hier irgendwas Merkwürdiges?«
»Macht«, sagte sie.
»Eine Art Energiezentrum?«, fragte Aahz.
»Fühlt sich so an«, sagte Tanda. »Aber vielleicht ist auch an diesen Schädeln irgendwas Besonderes. Etwas, das die
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