Ein Dämon wollte Hochzeit machen
entgegengesetzten Seiten, ist. Ich weiß nicht, vielleicht stimmt das ja sogar. Aber eins weiß ich mit Sicherheit: daß wir und unsere Kollegen von der anderen Seite uns in einem Punkt einig sind: Die Situation, die dich am schnellsten totmachen kann, das ist keine Schießerei oder ein Bandenkrieg. Sondern das ganz gewöhnliche HK-Szenario.«
»HK-Szenario«, wiederholte ich stirnrunzelnd. »Was meinst du damit?«
»Damit meine ich einen >Hauskrach<. Einen Familienstreit ... genau wie du ihn gerade miterlebt hast, als ich hereinkam. Die sind einfach tödlich, Boß. Vor allem zwischen Mann und Frau.«
Eigentlich wollte ich jetzt laut loslachen, aber er schien es so erbarmungslos ernst zu meinen, daß ich es mir lieber verkniff.
»Machst du Witze, Guido?« fragte ich also. »Was hätte denn da schon Gefährliches passieren sollen?«
»Mehr, als du dir vorstellen kannst«, versetzte er. »Das macht die HKs ja gerade so gefährlich. Bei einem gewöhnlichen Handgemenge kann man den Verlauf ziemlich genau verfolgen und sich ausrechnen, was als nächstes kommt. Aber Streitereien zwischen Eheleuten sind völlig unberechenbar. Da weißt du nie, wer gleich auf wen eindrischt, wann, warum oder womit, weil sie es nämlich selbst nicht wissen.«
Langsam begann ich zu verstehen - und ihm zu glauben! So verliefen also HKs? Eine Vorstellung, die zugleich faszinierend und beängstigend war.
»Weshalb, glaubst du, ist das so, Guido? Was macht denn Streitereien zwischen Ehepaaren so explosiv?«
Mein Leibwächter runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf.
»Darüber habe ich noch nie viel nachgedacht«, antwortete er. »Wenn ich meine Meinung dazu abgeben müßte, würde ich sagen, daß es an der Motivik liegt.«
»An der Motivation?« korrigierte ich ihn reflexartig, ohne nachzudenken.
»Das auch«, bestätigte er nickend. »Verstehst du, Boß, die geschäftlichen Auseinandersetzungen, die in Gewalttätigkeit ausbrechen, also die, mit denen ich mich normalerweise befassen muß, haben meistens leicht verständliche Ursachen - Habgier, zum Beispiel, oder Angst. Das heißt, der Boß A will irgendwas haben, was der Boß B nicht so gern abgeben möchte, zum Beispiel einen ordentlichen Brocken von einem Revier, das eine Menge abwirft; oder Boß B hat Angst, daß Boß A ihm eins über die Rübe geben könnte, und beschließt, ihn fertigzumachen. In solchen Situationen geht es um ein klar bestimmbares Ziel, und deshalb ist es auch relativ einfach, den Verlauf vorherzusagen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Verstehst du, was ich meine?«
»Ich glaube schon«, erwiderte ich. »Und beim Hauskrach?«
»Genau da kann es ziemlich häßlich werden«, meinte er und schnitt eine Grimasse. »Das fängt schon damit an, daß sie nicht einmal wissen, weshalb sie sich streiten. Dabei stehen Emotionen und gekränkte Gefühle auf dem Spiel, nicht das Geld. Das Problem besteht darin, daß es kein klar definiertes Ziel gibt, und deshalb weiß man auch nicht, wann der Kampf aufhören soll. Also steigert sich das alles immer mehr, und beide Seiten teilen ständig aus und stecken immer mehr ein, bis sie so schwer verletzt sind, daß es nur noch darum geht, dem anderen eins überzubraten.«
Er klatschte laut mit der Faust in die Hand und zuckte leise zusammen, als er seinen verletzten Arm bewegte.
»Wenn es dann explodiert«, fuhr er fort, »sollte man sich besser nicht einmal andeutungsweise in der Nähe des Detonationspunkts aufhalten. Dann stürzt sich einer von beiden auf den anderen, oder sie fallen beide übereinander her, und zwar mit allem, was gerade zur Hand ist. Und der Grund, weshalb weder wir noch die Bullen uns da einmischen, ist gleichzeitig auch das Schlimmste an der Sache: Wenn du nämlich versuchst, den Streit zu beenden, kann es passieren, daß sich beide über dich hermachen. Du mußt nämlich wissen, daß sie noch so wütend sein können, trotzdem werden sie einander vor Außenstehenden schützen, und dazu gehört dann jeder, der versucht, sich einzumischen. Deshalb ist es auch die beste Taktik, wenn möglich sofort das Weite zu suchen und abzuwarten, bis der Wirbel sich gelegt hat.«
Das fand ich alles hochinteressant, vor allem in Hinblick darauf, daß ich selbst gerade in Heiratsüberlegungen steckte. Andererseits erinnerte mich das Zusammenzuckest meines Leibwächters daran, daß meine Fragen zu seinem Befinden immer noch unbeantwortet waren.
»Ich glaube, ich habe es jetzt verstanden, Guido«, sagte ich.
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