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Ein delikater Liebesbrief

Ein delikater Liebesbrief

Titel: Ein delikater Liebesbrief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloisa James
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ihn zu finden, doch er war zu klein. Sie konnte ihn nicht entdecken. Voller Angst schlug ihr Herz fest gegen die Rippen. Sie war zu verängstigt, um zu weinen, ihr fehlte der Atem, um zu schreien.
    Sie erwachte, schnappte nach Luft.
    Erneut verbrachte Henrietta einen Morgen damit, auf den Spitzenhimmel ihres Bettes zu starren. Als sie ein leises Kratzen an der Tür vernahm, setzte sie sich müde auf, da sie glaubte, es wäre ihre neue Zofe Keyes mit heißem Badewasser. Doch es war Josie.
    »Hallo«, grüßte Josie fröhlich, dann schlüpfte sie durch die Tür.
    »Hallo!«, erwiderte Henrietta lächelnd.
    »Millie sagt, dass du krank bist. Wirst du gleich dein Frühstück erbrechen?«, fragte Josie und blieb vorsorglich in Türnähe.
    Henrietta konnte Josies Widerwillen, näher zu treten, gut verstehen. Seit einem knappen Monat war sie nun Anabels Mutter und hatte bereits genug Erbrochenes gesehen, dass es für ein ganzes Leben reichte.
    »Nicht doch«, versicherte sie und streckte der Kleinen ihre Hand entgegen. »Ich habe mich nur ein bisschen erkältet. Komm her, und erzähl mir, was ihr zwei gestern gemacht habt.«
    Josies Lächeln wärmte Henriettas Herz. »Ich bin gekommen, weil das Mädchen gerade sauber macht. Anabel hat ihre Frühstücksmilch ausgespuckt.« Sie kletterte auf das Bett.
    Henrietta legte Josie einen Arm um die Schultern. »Hast du den Eindruck, dass es mit Anabels Magen besser wird?«
    »Nein«, sagte Josie nach kurzer Überlegung.
    »Nun, bald wird es gewiss vorbei sein. Ich kenne keinen Erwachsenen, der solche Gewohnheiten beibehalten hätte.«
    »Ich wäre mir da nicht so sicher«, meinte Josie mit jener Mischung aus Altklugheit und Naivität, die Henrietta stets ein Lächeln entlockte.
    Die Zofe Keyes klopfte und trat ein, gefolgt von zwei Dienern mit heißem Wasser.
    Josie zog Henrietta am Ärmel. »Darf ich nicht bleiben? Bitte schick mich nicht in die Kinderstube zurück.«
    »Du willst bleiben, während ich ein Bad nehme?«
    Josie schaute sie mit trotzig vorgeschobener Unterlippe an. »Ich bin doch auch eine Dame! Und Millie badet mich immer mit Anabel zusammen, weil wir Damen sind.«
    Doch Henrietta hatte sich noch kaum von der dreisten Invasion ihres Gatten in ihre Privatsphäre erholt. »Ich halte das nicht für einen guten Einfall, Josie«, sagte sie sanft. »Sehr junge Damen wie du und Anabel, ihr könnt zusammen baden. Aber erwachsene Damen baden allein .«
    Es endete damit, dass Henrietta Josie badete. Ein dampfender Badezuber hat etwas Verlockendes, und nachdem Keyes Rosenblütenöl ins Wasser gegeben hatte, begann Josie, auf einem Bein zu hüpfen und zu betteln, ob sie auch baden dürfe.
    Sie hatte einen kräftigen kleinen Körper, der fast schon allen Babyspeck verloren hatte. Henrietta versuchte, Josie zu waschen, war jedoch die meiste Zeit damit beschäftigt, sich vor den Fluten zu retten, die über den Rand des Zubers flossen. Josie redete atemlos wie ein Wasserfall. Sie zeigte Henrietta die Narbe an ihrem Knie, die von einem Sturz auf der Dienstbotentreppe herrührte. (»Miss Peeves hat gesagt, ich wäre selbst schuld gewesen, weil ich dort nichts zu suchen hatte.«) Drei Mal wiederholte sie, dass sie sich zum Geburtstag einen Mama-Welpen wünsche. Henrietta versuchte vergeblich, ihr zu erklären, dass die Begriffe Mama und Welpe nicht miteinander vereinbar waren.
    Irgendwann erschien das Kindermädchen Millie, das den Verbleib seines vermissten Schützlings herausgefunden hatte. Henrietta schickte sie mit einer Entschuldigung wieder fort. Josie blieb im Zuber, bis das Wasser kalt wurde und sie eine Gänsehaut bekam. Sie redete … und redete … und redete.
    Selbst als Henrietta Josie aus dem Bad hob und in ein Handtuch hüllte, schnatterte die Kleine munter weiter. Sie erzählte Henrietta von dem Frosch, den sie letzten Sommer im Teich am Ende des Gartens gesehen hatte, und von den Enten, die dort geschlüpft waren und seitdem im Stall wohnten. Sie berichtete Henrietta in allen Einzelheiten von dem Weihnachtsessen, bei dem ihre Mutter anscheinend ein Tablett nach dem Vikar geworfen hatte. Sie erzählte Henrietta, dass Anabel nach ihrer Geburt wie ein gerupftes Huhn ausgesehen habe und dass ihre Mutter das Baby in die Kinderstube bringen ließ und gesagt habe, sie wolle es erst wiedersehen, wenn es mehr Haar habe. Josie fand diese Geschichte sehr erheiternd; Henrietta fand sie furchtbar.
    Erst als Josie vor Erschöpfung nach und nach leiser wurde, wusste Henrietta, was sie

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