Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
Vom Netzwerk:
gegen die alles, was dieser Aktenarsch in seinem kleinen Paragraphen-Scheißleben zustande gebracht hatte, Hühnerkacke war, Rattendreck!
    Er selbst hätte jede Pore in Rösners müdem Gesicht einzeln mit dem Blei seiner 16-schüssigen Walther vollpumpen können, so nah war er an ihm dran gewesen. Ein Handgriff, und der Typ läge jetzt mit einem ordentlichen Genickschaden im Krankenhaus, statt weiter putzmunter seine verdammte Ihr-könnt-mich-mal-Nummer abzuziehen.
    Ahab, zur Tatenlosigkeit verurteilt, musste mitansehen, wie der weiße Wal vor seinen Augen wieder abtauchte. Dabei hätte nur ein Harpunenstoß genügt, um die Bestie für alle Zeiten hinunter auf den Grund des Meeres zu schicken, wo sie die heißhungrigen Bewohner der Schwärze mit ihren messerscharfen Zähnen zu Hackfleisch verarbeitet hätten.
    Er hätte bloß nicken müssen, und die Guillotine hätte Degowski in Person von Andresen den Schädel abgerissen. Stattdessen machten sie einen Kopfsprung in die Scheiße. Standen da wie die letzten Deppen, ausgebremst von einem 95 Kilometer entfernten Besserwisser-Schlappschwanz, der sich hinter seinen Akten verschanzte.
    »Abbruch. Ich wiederhole: unverzüglicher Abbruch!«, hatte er unwirsch in sein Mikro gezischt, als der gleichlautende Befehl aus Recklinghausen gekommen war, und sich auf der Stelle aus der Menschenmenge rausgekämpft. Damit war das MEK Wuppertalwieder am Zug. Und sie raus aus dem Spiel. Schon wieder. Und diesmal endgültig.
    Kirchner starrte auf das in mehrere Teile zersprungene Walkie-Talkie, den sichtbaren Ausdruck seiner bislang größten Niederlage als Polizist. Kurz spielte er mit dem Gedanken, seinen sofortigen Rücktritt als Gruppenleiter einzureichen. Doch schon in der nächsten Sekunde verwarf er diese Idee wieder, denn Fritsche wartete doch nur darauf, dass er endgültig vor ihm und seinen Methoden in die Knie ging. Sich geschlagen gab. Kapitulierte. Abdankte. Diesen Gefallen würde er ihm nicht tun. Niemals. Eher würde er sich ins Knie schießen, als sich mit einem Rückzug zum Verlierer zu erklären.
    Kirchner musste an seinen Sohn denken. Und was er auf dessen Fragen antworten würde, weshalb er die Dreckskerle hatte laufen lassen. Er würde sagen, wie es gewesen war, auch wenn das wie eine faule Ausrede in den Ohren des Jungen klingen musste. Als fehlte ihm der Mut dazu, kurzen Prozess mit den Gangstern zu machen. Doch so war es gewesen. Seine Existenz stand auf dem Spiel. Zugriff und die damit verbundene Suspendierung oder Kleinbeigeben hatte die Wahl gelautet. Er hatte kurz überlegt, schließlich zerknirscht abgedreht und den Rückzug angetreten. Mit einem Scheißgefühl im Bauch. Dem Gefühl, gekniffen, klein beigegeben zu haben.
    Wie er diesen Fritsche hasste. Der Typ hatte ihn innerhalb von nicht einmal anderthalb Tagen zum zweiten Mal lächerlich gemacht. Hatte ihn ausgeknipst wie einen Lichtschalter. Hatte ihn aus dem Rennen genommen. Einfach so. Wie einen Staffelschlussschwimmer, dem man den Endspurt nicht zutraut.
    Vor Robert würde er dastehen wie ein Versager. Dabei war er im Gegenteil fest davon ausgegangen, ihm als strahlender Triumphator gegenübertreten zu können: als unbezwingbarer Kapitän, der dem Schiffsjungen Pip stolz Moby Dicks Schneidezähne präsentierte.
    Er versetzte dem Walkie-Talkie mit der Fußspitze einen heftigen Stoß, dass es in hohem Bogen durch die Luft segelte, mit einem Knall aufkam und scheppernd übers Pflaster schlitterte. Dann lief er zurück zum Wagen, wo Andresen und Landau ihn bereits erwarteten.
    »So ’ne Scheiße«, fluchte Andresen und stieß den Rauch seiner Zigarette aus. »Wir warn so nah dran!« Mit zitterndem Daumen und Zeigefinger deutete er eine Spanne von wenigen Millimetern an. »Soooo nah! Und dann pfeift dieser Arsch uns zurück. Ich kapier’s nicht! Warum macht der das? Wir hatten doch alles super im Griff! Die Eier sollte man dem Typ abschneiden!«
    »Machst du es? Oder soll ich?«, rief Berischa, der unterdessen eingetroffen war, mit seinem albanischen Akzent.
    Kirchner genoss die spontane Solidaritätsbekundung des erfahrenen Kollegen und grinste dankbar. »Ich«, ging er trotzig dazwischen. »In der Luft zerreißen könnte ich diese Assel!«
    Die Wut schoss in ihm hoch wie ein Geysir und legte sich über ihn wie eine schwere Decke, unter der man keine Luft bekommt. Er spürte, wie sein Blutdruck stieg, spürte, wie seine Nackenhaare sich aufstellten. Dieser Fritsche wollte ihn offensichtlich weichkochen,

Weitere Kostenlose Bücher