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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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einem olivgrünen Mini Cooper auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring einfach die Vorfahrt und rasierte dem anderen dabei fast den linken Kotflügel weg.
    »Haste schon mal Tonaufnahmen gemacht?«, fragte Bertram knurrig und bekam plötzlich Mitleid mit dem schwitzenden Anfänger.
    »Ja, schon …«, fiepte Bässker, nahm die Brille ab und wischte sich umständlich den Schweiß aus den Augenhöhlen. Dann schob er sich die Brille wieder auf die Nase und sagte: »Bei ffn in Hannover, da habe ich nämlich angefangen. Und später beim HR in der Kultur, im Hörfunk. Es gab da so ’ne Nachmittagssendung, Das Radioscop, für die hab ich …«
    Bertram ließ ihn gar nicht weiter ausreden: »Das heißt, du kennst dich mit Rycode und Mischpult aus?«
    Nach kurzem Zögern sagte Bässker kleinlaut: »Ja, irgendwie schon …«, was in Bertrams Ohren nichts anderes bedeutete als: Hab keine Ahnung, nicht die Bohne!
    »Aha«, erwiderte Bertram und war bedient.
    Maibach, der Networker, hatte die Bewerbung des Abkömmlings einer der ältesten Kölner Bierbrauerdynastien mit Bedacht aus dem dicken Stapel von Praktikums-Bewerbungen rausgefischt, triumphierend damit herumgewedelt und so, als springe für ihn im Gegenzug eine Wagenladung Doppel-Magnum-Flaschen der Marke Conte Loredan Gasparini dabei heraus, breit grinsend getönt: »Bässker! Dem Kölsch eine Chance!« Dabei offenbarte Bässker schon nach wenigen Tagen seine ganze praktische Unfähigkeit, indem er das Kunststück fertigbrachte, durch bloßes Abreißen der Tickermeldungen den Fernschreiber aus seiner Tischverankerung zu zerren, so dass der mit einem markerschütternden Knall zu Boden ging.
    Sie stellten den Wagen in der Schwalbengasse ab, Bertram nahm die Sony-Schulterkamera, eine nagelneue BV W 300, aus dem Kofferraum und hängte sie sich um. Dann drückte er Bässker das Rycode und das Mischpult samt Kopfhörer in die Hand: »Häng dir das Ding um!« Zuletzt klemmte er sich die Leiter unter den Arm, schlug die Heckklappe zu und verpasste Bässker einen aufmunternden Klaps auf die Schulter: »Na, dann los!«
    Eigentlich hatte Bertram allen Grund, fröhlich zu sein, denn das Telefonat mit der Schwester der E 2 war denkbar erfreulich verlaufen: Paul machte stündlich Fortschritte, seine Werte verbesserten sich deutlich, und von Lebensgefahr war keine Rede mehr.
    Sie liefen die Schwalbengasse hinunter, in Richtung Auf dem Berlich, und bogen nach 200 Metern in die Breite Straße ein. Sofort sahen sie den Pulk, der den Wagen umringte, all die Gaffer und Schaulustigen, das hysterische Gewedel und Herumgefuchtel der Kollegen mit ihren Mikros. Sie sahen die Wolke aus Zigarettenrauch, die über dem glänzenden Wagendach aufstieg, und Bertram spürte, wie er eine Gänsehaut an den Armen bekam.
    Jetzt war er mittendrin, blickte in das Auge des Hurrikans.
    Es herrschte eine Stimmung wie auf einem Rummelplatz. Als hätte Scotty den Vulkanier T’gai Spock von der Enterprise in die Breite Straße runtergebeamt. Oder als wäre die Monroe von den Toten auferstanden, um zu Füßen des Doms hofzuhalten. Bertram kämpfte sich zwischen den Schaulustigen hindurch und stieß dabei immer wieder mit seiner Leiter gegen ebenfalls rücksichtslos herandrängende Leiber. Gleichzeitig versuchte er, Bässker im Auge zu behalten. Rasch hatten sie sich dem Wagen, an dem die Meute klebte, bis auf wenige Meter genähert.
    »Geh, so nah du kannst, ran an den Wagen und halt dem Rösner die Tüte hin!«, rief er Bässker zu. Der nickte und drehte sich weg. Bertram stellte die Leiter auf, stieg hinauf, setzte denKopfhörer auf und brachte die Sony in Anschlag. Er schaltete die Kamera ein und blickte durch den Sucher. In leichten Kreisbewegungen schwenkte er die Kamera über die Menge.
    Von seiner Position aus erkannte er sofort die üblichen Verdächtigen: Dirk Renner vom Express stand mit einer Zigarette in der Hand am Wagen, nicht weit davon entfernt Rainer Braun vom Anzeiger, Willy Breitschuh von der Kölnischen Rundschau und Frank Gerber von Bild Köln. Dazu ungezählte Funk- und TV-Kollegen, der halbe WDR, Prenzberg, Simonsen, Helders. Alle wollten ihr Stück vom Kuchen abhaben. Man würde ihn so lange teilen, teilen und noch mal teilen, bis nur noch Krümel übrig waren, auf die sich die Ratten der unbedeutenden Blätter stürzen würden.
    Bertram zoomte den Wagen heran und fing die gierigen Blicke der Kollegen ein. Bässker war es unterdessen gelungen, an den BMW ranzukommen, und er hörte Rösners Stimme auf dem

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