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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen militanten Baugegnern und der Polizei fotografieren sollte.
    Ahrens fuhr mit dem Zug nach Frankfurt und anschließend mit dem Taxi Richtung Flughafen. Aggression lag spürbar in der Luft, und Ahrens hatte zum ersten Mal in seinem Fotografenleben das sichere Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Er arbeitete sich bis zu den Barrikaden vor und verschoss Dutzende von Filmen, welche die Gefechte zwischen den Demonstranten und den Bundesgrenzschutzbeamten aus nächster Nähe dokumentierten. Er hatte das berauschende Gefühl, Zeuge eines ganz für ihn allein inszenierten Krieges zu sein.
    Als der Stern in der letzten Novemberausgabe 1981 seine Fotos druckte, konnte er sein Glück kaum fassen. Das lag sieben Jahre zurück, und Peter Ahrens war seitdem gut im Geschäft. Der Stern gehörte längst ebenso zu seinen festen Kunden wie der Spiegel oder Die Zeit.
    Er schlug die Zeitung auf, während Anette den Tisch zu decken begann. Bild Dortmund hatte fünf Leute nach Gladbeck geschickt, das große Aufgebot sozusagen.
    Auf Seite drei waren unter der Überschrift »Geisel-Gangster kauften Buletten und Beruhigungsmittel« drei Fotos zu einem montiert, auf dem jeweils »Der Polizist«, »Die Geisel« und der »Gangster« abgebildet waren.
    Ahrens verachtete diese Art von Fotojournalismus. Das alles hatte nicht das Geringste mit dem zu tun, was ihm als Fotograf am Herzen lag. Seine Vorbilder waren der Schweizer René Burri, der deutsch-amerikanische Kriegsfotograf Perry Kretz und Robert Lebeck. Darauf angesprochen, was er für großen Fotojournalismus hielt, verwies er gern auf Robert Lebecks berühmte Reportage »Afrika im Jahre null« von 1960. Eines der Fotos zeigte einen jungen Afrikaner, der während der Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit des Kongo König Baudouins Degen stahl. Das Foto war um die Welt gegangen und hatte Lebecks legendären Ruf begründet.
    Einmal war Ahrens Lebeck bei einer Ausstellungseröffnung der Neuen Nationalgalerie in Berlin begegnet, die Werke von ihm zeigte. Er hatte aber nicht den Mut besessen, ihn anzusprechen.
    Einem plötzlichen Impuls folgend, legte Ahrens die Zeitung auf den Tisch, stand auf und lief in die Diele, wo das Telefon war, und nahm den Hörer und wählte die AP-Nummer in Frankfurt. Nach dem dritten Läuten nahm jemand ab.
    »Peter Ahrens! Ist Jens Freiwald da?«
    »Ja, Moment bitte!«, antwortete die Frauenstimme, dann wurde er verbunden, und eine Männerstimme sagte: »Freiwald?«
    »Ich bin es, Ahrens.«
    »Guten Morgen«, sagte Freiwald. »Hat dich die Hitze so früh aus dem Bett getrieben?«
    »Nein, die Bildzeitung«, sagte Ahrens und zog vorsichtig die Tür zur Küche zu.
    »Gladbeck, verstehe«, sagte Freiwald ungerührt, »die sind gerade auf dem Weg nach Bremen.«
    »Was?«, sagte Ahrens. »Wieso das denn?«
    »Das musst du den Rösner fragen!«
    »Habt ihr schon jemanden, der das …?«
    »Die Scharlow wird das machen, ich habe vor einer halben Stunde mit ihr gesprochen!«, sagte Freiwald.
    »Die Scharlow? Die ist doch erst ein halbes Jahr dabei. Sollte das nicht lieber einer von den älteren Kollegen übernehmen, ich meine, nichts gegen Dagmar Scharlow, aber …«
    »Die packt das schon«, sagte Freiwald, »ihre Mülheimer Flugzeugabsturzgeschichte im Februar war doch ziemlich gut.«
    »Ja, okay«, sagte Ahrens. »Die Bilder waren nicht schlecht.«
    Damals war eine vollbesetzte Turbo-Prop-Maschine des Nürnberger Flugdienstes, die sich auf einem Linienflug von Hannover nach Düsseldorf befunden hatte, in den Morgenstunden in der Nähe von Mülheim/Ruhr im Landeanflug von einem Blitz getroffen worden und abgestürzt. Alle 21 Insassen waren dabei ums Leben gekommen. Dagmar Scharlows Bilder hatten tatsächlich Eindruck auf ihn gemacht. Sie hatte die Sache erstaunlich routiniert fotografiert.
    »Lass die mal machen«, sagte Freiwald. »Ein anderes Mal wieder, okay, Peter?«
    »Wie du meinst«, sagte Ahrens und legte auf.
    Anette saß am Tisch und bestrich eine Scheibe Brot mit Butter.
    »Stell dir vor, die kommen nach Bremen«, sagte er und nahm ihr gegenüber, wie er das seit sieben Jahren jeden Morgen tat, Platz.
    »Wer?«
    Ahrens deutete auf die zusammengefaltet neben dem Brotkorb liegende Zeitung. »Die Geiselgangster!«
    »Hast du deswegen telefoniert?«, sagte Anette und tropfte mit dem Löffel einen dunkelroten Klecks Himbeermarmelade auf ihr Butterbrot.
    »Ja«, sagte er und nahm eine Scheibe Brot aus dem

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