Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
Vom Netzwerk:
hielt Wort. Er bot Adam an, ihm seinen LKW-Führerschein zu bezahlen und ihn nach bestandener Prüfung in sein Fahrerteam aufzunehmen.
    Über ein Jahr lang pendelte Adam anschließend für Wackernagel zwischen Berlin und Zagreb, Barcelona und Ankara. Bis Martha, die für Wackernagel die Buchführung machte, zurück nach Bremen wollte. »Berlin ist einfach zu groß und zu kalt für mich, Adam.«
    Adam hatte damals alles versucht, um sie von ihrem Entschluss abzubringen, und ihr eine großartige gemeinsame Berliner Zukunft ausgemalt. Auch, weil er in Karolys Nähe bleiben wollte, der sich inzwischen erfolgreich als Schrotthändler betätigte. Martha war stur geblieben und Adam ihr schließlich widerwillig nach Bremen gefolgt. In eine Dreizimmerwohnung mit Dachschräge in Blumenthal, im Norden der Stadt. Mit einem LKW-Führerschein und dem Versprechen ihrer Liebe in der Tasche, aber ohne Aussicht auf Arbeit.
    Das lag inzwischen knapp zwei Jahre zurück, und Adam war seit Juni 1986, wo er mit Leichtigkeit die Fahrprüfung bestanden hatte, als Busfahrer im Fahrdienst der Bremer Straßenverkehrsbetriebe angestellt.
    Adam sah auf seine, auf dem Nachttisch liegende Armbanduhr. Es war fünf Minuten vor zehn, und bis seine Halbspätschicht, wie sie das intern nannten, begann, blieben ihm noch zwei Stunden. Er hatte miserabel geschlafen, war auch wegen der Wärme immer wieder aufgewacht und hatte jedes Mal, wenn ihn im Halbschlaf das Verlangen nach Marthas Körper überkam, ins Leere gegriffen. Nicht ganz 24 Stunden zuvor hatte sie ihn nach einer letzten Auseinandersetzung verlassen und war mit einemgepackten Koffer zu ihrer Freundin Sabine nach Vegesack gefahren.
    Das Gespräch mit Karoly hatte ihn beruhigt. Doch schon in dem Moment, als er auflegte, waren die schmerzhaft brennende Sehnsucht nach Martha und der Hass auf sich selbst wieder da.
    Adam wuchtete sich aus dem Bett und ging hinüber ins Bad. Auf der Metallablage unterhalb des Spiegels über dem Waschbecken standen einige von Martha zurückgelassene Cremes, Tiegel und Tuben aufgereiht. Sie erweckten den Eindruck, als sei alles in bester Ordnung, so, als müsse sie jeden Augenblick den Raum betreten, nach der ebenfalls auf der Ablage liegenden Holzbürste greifen und mit Blick in den Spiegel und leicht schiefgelegtem Kopf beginnen, die vom Schlaf zerwühlten Haare zu bürsten.
    Adam ließ seinen Blick lange auf den Tuben und Tiegeln ruhen und wünschte sich eine Arbeit bis zum Umfallen, die ihn taub und müde machte, damit die Gedanken aufhörten. Und mit ihnen der Schmerz der Wehrlosigkeit, in die sie ihn hineingezwungen hatte wie Polizeibeamte einen Verbrecher in seine Zelle.
    Ohne Martha empfand er das Badezimmer, in dem sie sich mehr als einmal unter den kräftigen Strahlen des warm und weich aus dem Duschkopf herausströmenden Wassers in der engen Kabine geliebt hatten, als nutzlos gewordenen Teil einer abgeschlossenen Geschichte.
    Adam sah in den Spiegel und kämpfte mit den Tränen, streifte seine Unterhose ab und betrat die Duschkabine.
    Am Ende hatte er Martha regelrecht angefleht, bei ihm zu bleiben. Er könne sich operieren lassen, hatte er gesagt, auch wenn sie beide wussten, dass die Chancen auf Wiederherstellung seiner Fruchtbarkeit bei weniger als einem Prozent lagen. Sie hatte ihn mit katzenhaft verengten Augen angesehen. »Mein Entschluss, dich zu verlassen, hat nichts mit meinen Gefühlen für dich zu tun. Ich liebe dich genau wie am Anfang. Doch das, wasich mir so sehr wie nichts anderes auf der Welt wünsche, nämlich ein Kind, kannst du mir nicht geben. Also muss ich es mir woanders holen.«
    Sie waren bei einem halben Dutzend Ärzten und sogar zweimal in einer Spezialklinik in Belgien gewesen. Lange hatten sie geglaubt, es läge an Martha. Bis ihnen die Idee kam, es könne an ihm liegen.
    Adam drehte entschlossen den Warmwasserhahn bis zum Anschlag auf. Dann löste er den an der Aluminiumstange befestigten Duschkopf aus seiner Justierung und richtete die gebündelten und inzwischen dampfend heiß herausschießenden Wasserstrahlen so lange auf sein schlaff herabhängendes Glied, bis der Schmerz den in seinem Innern überdeckte und er mit letzter Kraft den Kaltwasserhahn aufriss und mit schmerzverzerrtem Gesicht, den Duschkopf in der Hand, auf die Knie sank.
    ***
    Bereits dreimal hatte Chris in der letzten halben Stunde bei ihrem Vater angerufen, und jedes Mal hatte sich Wanda, seine venezolanische Putzfrau, die zweimal in der Woche halbtags seine

Weitere Kostenlose Bücher