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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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weil ich nicht mehr als Förster und Berufsjäger im Revierdienst tätig war. Es gab ja auch welche, die sagten, dass ich deswegen gar kein Anrecht mehr auf einen Hannoverschen Schweißhund hätte.
    Cleo erzielte in der zwei Tage dauernden Prüfung bei der Formwertprüfung – quasi dem Schönheitswettbewerb, bei dem der Allgemeinzustand der Gesundheit, die Zähne, das Fell, die rassetypischen Merkmale und so weiter geprüft werden – ein »Sehr gut« und schnitt, noch wichtiger, bei der Jagdprüfung ebenfalls mit einer Eins ab, als Beste von allen sechs jungen Hunden! Bei der Jagdprüfung muss der Hund eine 1000 Meter lange kalte, gesunde Fährte »arbeiten« – und ein Kilometer im Wald kann sehr lang sein. »Kalt, gesund« bedeutet, dass die Fährte so alt sein muss, dass von den Hufabdrücken des gefährteten Tieres keine warme Witterung mehr ausgeht (wozu vier Stunden vor der Prüfung ein zahmes Wildschwein durch den Wald geführt wird). Hinter dem Hundeführer und seinem Hund marschieren die gesamte Prüferkorona und meist noch etliche Zuschauer, ein sehr seltsamer Aufzug. Nach einem Kilometer im Wald, wenn der Hund die Fährte gut gearbeitet hat, sagt der Prüfer: »So, prima! Tragen Sie Ihren Hund ab!« Dann lobt man seinen Hund leise, nimmt ihn auf den Arm und trägt ihn weg – daher der Ausdruck »abtragen«. Bei Cleo mit ihren 26 Kilogramm kein Problem, doch manche andere Hundeführer haben Rüden mit fast fünfzig Kilogramm. Schönen Gruß an die Bandscheibe! Ich sagte also zu Cleo: »So, recht, mein Hund. Hast du gut gemacht!«, und trug sie ab. Und sie hat es wirklich toll gemacht, trotz erschwerter Bedingungen, denn nachdem in den frühen Morgenstunden das zahme Wildschwein seine Fährte im Wald gelegt hatte, waren eine Wildschweinrotte und Rothirsche über die Fährte gezogen und hatten ebenfalls ihre Witterung hinterlassen. Aber Cleo hat an diesen anderen Duftspuren nur ein bisschen herumgeschnüffelt und ansonsten die vorgegebene Fährte ganz zielstrebig gearbeitet.
    Abends fanden sich die etwa siebenhundert Mitglieder – es gibt fast doppelt so viele Mitglieder wie Hannoversche Schweißhunde in Deutschland – in einer riesigen Halle ein. Bei der Preisverleihung sagte der Rüdemeister in der Urteilsbegründung, dass ihm insbesondere aufgefallen war und er besonders hervorheben wollte, dass der Führer, also sprich ich, und Cleo ein unglaublich gutes Team sind, dass die Zusammenarbeit zwischen Führer und Hund hervorragend ist und dass wir uns ohne Worte verstehen. Da war ich sehr, sehr stolz! Und später, bei einem Bier, meinte der Zuchtwart: »Also so ein Hund, der so toll arbeitet, einen solchen Fährtenwillen hat, so bildhübsch aussieht, so wesensfest ist« – Letzteres zählt bei der Bewertung ebenfalls –, »der sollte mindestens zwei Würfe in seinem Leben machen.«
Mödlareuth
    Cleo ist also bildhübsch. Jeder, der sie sieht, schmilzt dahin, und so hat sie uns auf der Wanderung Türen, Tore, Höfe und Herzen geöffnet. Einmal allerdings, in Mödlareuth, hat Cleo uns ein Tor verschlossen. Als wir dort ankamen, ging Cleo frei bei Fuß, und ich war mit Fotografieren beschäftigt, weil ich viel von dem Dorf gehört und darüber gelesen hatte und es mich sehr interessierte. Urplötzlich zischte Cleo los, und da erst bemerkte ich die Katze. Cleo hat, das muss man wissen, ein Faible für Katzen – wobei ihre Lieblingstiere ganz klar Wildschweine sind. Das Tier rettete sich auf einen alten Obstbaum und fauchte von sicherer Warte aus Cleo an. Etwas verwundert, weil Cleo normalerweise Katzen nicht jagt, pfiff ich sie ab, und sie folgte sofort. Die Katze dachte, die Gefahr sei vorüber, und kletterte nach unten. Ein Fehler, denn ob durch Zufall oder weil sie etwas gehört hatte, drehte Cleo sich um, sah die Katze am Boden, sagte sich, na, das geht ja gar nicht, und hetzte wieder los. Diesmal suchte die Katze ihr Heil in einem Kuhstall – und Cleo hinterdrein. In dem Kuhstall wurde gerade gemolken, und die beiden Tiere verursachten ein Riesentheater. Ich hörte es klappern, scheppern und klirren, dann jemanden fluchen: »Du verdammter Köter, wo kommst du denn her?« Als Nächstes sah ich die Katze auf der anderen Seite des Kuhstalls herausflitzen mit Cleo dicht auf den Fersen. Ich verlor die beiden aus den Augen, dann vernahm ich Cleos »Jiff, jiff, jiff«: Die Katze hatte ein Schlupfloch gefunden und sich versteckt.
    Ich hörte den Hund kurz Standlaut geben, dann wieder Hetzlaut. Cleo hat

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